Ist die MMT der richtige Kompass für die Entscheidungsfindung?

11.05.2023

In einem Papier aus dem Herbst 2021 kritisierten zwei französische Kollegen die MMT. Ich antwortete mit einer Replik, um eine Debatte in Gang zu setzen. Ein Blick aus der heutigen Perspektive zeigt auf, dass die bestehende Geldpolitik der Zentralbanken versagt.

In ihrem Beitrag zur MMT endeten die Autoren mit diesem Absatz:

"Ein solch krasser Gegensatz zu den Analysen und Empfehlungen der Mainstream-Ökonomen wäre verständlich, wenn sich die MMT-Ökonomen auf eine Debatte mit ihren Kollegen einlassen würden, um ihre Positionen sowohl aus theoretischer als auch aus empirischer Sicht zu erklären und zu rechtfertigen. Ihre akademischen Veröffentlichungen wiederholen sich jedoch und es mangelt ihnen an empirischen Analysen, was eine Überprüfung ihrer Behauptungen oder einen Vergleich mit den Empfehlungen anderer Denkschulen nicht zulässt. Wie Hartley (2020) feststellt, ist die MMT "keine falsifizierbare wissenschaftliche Theorie: Sie ist vielmehr eine politische und moralische Aussage derjenigen, die an die Rechtschaffenheit - und Erschwinglichkeit - unbegrenzter Staatsausgaben zur Erreichung progressiver Ziele glauben". Ihre Bedeutung ist eher die eines politischen Manifests als die einer echten Wirtschaftstheorie."

Auch nach mehr als einem Jahr finde ich diesen Absatz immer noch befremdlich. Die Vorwürfe sind aus der Luft gegriffen, es gab und gibt sehr viele Debatten zu MMT. Das Argument, MMT sei "keine falsifizierbare wissenschaftliche Theorie" ist grotesk. Buchungssätze, die den Kern von MMT ausmachen, sind natürlich falsifizierbar! In meiner Replik hatte ich dann auch dargestellt, wie ich mir das denke, wenn die Deutsche Bundesregierung Geld ausgibt. Dabei bezahlt sie immer durch Geldschöpfung der Bundesbank, die Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen den Kontostand einer Bank im Zahlungssystem erhöht. Eine "Steuerfinanzierung" oder °Schuldenfinanzierung" ist daher aus technischer Sicht nicht möglich. Wer meint, dass Steuern die Staatsausgaben finanzieren (also Einnahmen vor Ausgaben aus technischer Sicht notwendig sind), kann gerne die Bilanzen mit den Buchungssätzen aufschreiben. Dann lässt sich das auch falsifizieren. Da das aber niemand bisher gemacht hat, muss festgehalten werden, dass die Aussagen der MMT aus fachlicher Sicht aktuell den Anspruch auf wissenschaftliche Gültigkeit erfüllen, denn sie sind unwiderlegt.

Das Verbreiten des Steuerzahlermythos, der auf Margaret Thatcher zurückgeht, bedeutet nicht, dass die MMT "umstritten" wäre. Es bedeutet nur, dass einige diese Theorie nicht mögen. Das kann aber kein wissenschaftliches Gütekriterium sein. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das gültig, was nicht widerlegt ist (sofern es falsifizierbar ist), und nicht das, was alle gut finden oder zumindest keiner offen kritisiert. Gerade die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass einige Kollegen es mit der Wissenschaftlichkeit anscheinend nicht so ernst meinen. Wie sonst lässt sich erklären, dass in vielen Lehrbüchern weiterhin längst widerlegte Mythen verbreitet werden?

Meine Replik endete mit diesen Zeilen:

"Drumetz und Pfister sind aufgefordert, auf dieses Papier zu antworten, indem sie sich mit den hier aufgestellten Behauptungen auseinandersetzen. Wie Tabelle 1 zeigt, bin ich der Meinung, dass ihre Darstellung der MMT fehlerhaft und ihr Urteil über die MMT daher unzuverlässig ist. Um einen gewissen Fortschritt zu erzielen, würde ich die Autoren bitten, in Bilanzen zu erklären, wie die französische Bundesregierung tatsächlich ausgibt und/oder meine Bilanzen für den deutschen Fall zu widerlegen. Ich glaube, meine Bilanzstruktur zeigt deutlich, dass die Deutsche Bundesbank ein Währungsemittent ist und dass sie jedes Mal neue Reserven schafft, wenn der deutsche Staat Geld ausgibt. Wenn dies überall in der Eurozone der Fall ist, würde dies bedeuten, dass die EZB jedes Problem der fiskalischen Nachhaltigkeit lösen könnte, indem sie das PEPP dauerhaft einführt, wie von Ehnts und Paetz (2021) argumentiert. Die Frage, wie viel die Regierungen ausgeben dürfen, ist von dieser Frage abgekoppelt."

Interessant ist diese Diskussion vor dem Hintergrund der Fiskalregeln der Eurozone. Wir sollten die Fiskalpolitik neu denken, basierend auf der MMT. Wenn also nur die EZB darüber entscheidet, ob in der Krise die nationalen Regierungen zahlungsfähig sind oder nicht, warum dann die ganze Diskussion um fiskalische Nachhaltigkeit? Diese verdeckt die eigentlich wichtige Debatte über die Frage, wie wir in der Eurozone eine grüne Transformation hinbekommen, ohne die Ziele der Vollbeschäftigung und der Preisstabilität aufgeben zu müssen.

Ebenfalls interessant ist die Analyse des Versagens der neukeynesianischen Geldpolitik. Es ist aus moralischer Sicht sehr umstritten, dass Zentralbanken mit höheren Zinsen die Arbeitslosigkeit erhöhen wollen, um so die Inflation zu senken. Zudem funktioniert es gar nicht – in den USA sinkt seit Monaten die Arbeitslosigkeit bei steigender (!) Beschäftigung. Den "trade-off" der Modelle zwischen Arbeitslosigkeit und Preisstabilität scheint es also in der Form so gar nicht zu geben. Auch Japan, wo immer noch ein Nullzins herrscht, hat eine sinkende Inflationsrate. Die MMT ist meiner Meinung nach ein guter Kompass, um Wirtschaft und den Einsatz der Instrumente der Wirtschaftspolitik zu analysieren.