Mankiw, Fractional Reserve Banking und Makro-Lehrbücher

14.04.2023

Seit der Finanzkrise gibt es eine Debatte um die Funktionsweise des Geldsystems. U.a. werfen moderne Zentralbanken wie die Bank of England und die Deutsche Bundesbank Autoren wie Gregory Mankiw vor, eine falsche Sicht auf das Geldsystem zu vermitteln.

Der US-amerikanische Ökonom und Lehrbuchautor Gregory Mankiw, der unter George W. Bush seinen Zenit an Einfluss erreichte, schrieb jüngst auf seinem Blog unter dem Titel „The Importance of Teaching Fractional Reserve Banking“: 

„1. Wenn die Fed den Zinssatz für Währungsreserven senkt, stimuliert diese Politik kurzfristig die Wirtschaftstätigkeit und führt über die Phillips-Kurve zu einem Anstieg der Inflation.

2. Auf lange Sicht erklärt die Quantitätstheorie des Geldes die Inflation.

Ich [Mankiw] stimme beiden Aussagen zu und halte sie für wichtig, damit die Studierenden sie verstehen.”

Zentralbanken haben sich jedoch schon seit vielen Jahren von dem Konzept des „Fractional Reserve Banking“ distanziert. Dieses besagt, dass sich Banken Reserven (Geld von der Zentralbank) und/oder Sparern leihen, welches sie dann an Haushalte und Unternehmen weiterverleihen. Dies muss in der Realität schon daran scheitern, dass Haushalte und Unternehmen keine Konten bei der Zentralbank haben und deswegen auch Banken ihre Guthaben bei der Zentralbank nicht an den privaten Sektor weiterverleihen können. So schreibt die Bundesbank (2017, S. 15):

Wenn also Banken die Reserven gar nicht an die Realwirtschaft weiterverleihen können, wie soll dann eine Zinssenkung zu einer Erhöhung der Inflation führen? Die Logik, dass ein sinkender Zins automatisch die Geldmenge erhöht, was (langfristig) die Preise erhöht, ist ja nun hinfällig. Auch die Empirie bestätigt, dass Niedrigzinsen nicht zu hoher oder steigender Inflation führen. Die 2010er Jahre in Deutschland haben das eindrucksvoll belegt, wie die nächste Abbildung zeigt.

Der Einlagezins der EZB lag zehn Jahre lang unter einem Prozent, die Inflationsrate in Deutschland bewegte sich über das Jahrzehnt zwischen 0,5 und knapp über 2 Prozent. Damit unterschoss Deutschland permanent das Inflationsziel der EZB von knapp unter 2 Prozent. Es kann keine Rede davon sein, dass „diese Politik kurzfristig die Wirtschaftstätigkeit [erhöht] und ... über die Phillips-Kurve zu einem Anstieg der Inflation [führt]“, wie es Mankiw oben beschrieben hat.

Der Artikel „Money creation in the Modern Economy“ der Bank of England (2014, S. 14), immerhin 1631 mal zitiert, drückt sich ebenfalls sehr klar aus, was die Geldschöpfung anbelangt:

Die Realität der Geldschöpfung – gemeint sind die Zahlungsversprechen der Banken in staatlicher Währungseinheit – ist also anders als die Beschreibung in einigen Lehrbüchern, wozu auch das von Gregory Mankiw gemeint sein dürfte. Bankkredite würden Guthaben bei Banken erzeugen und die Zentralbank fixiert weder die Geldmenge noch können ihre Reserven mehrfach weiterverliehen werden.

Nun haben Zentralbanken ja nicht immer automatisch recht, und ökonomische Berater von George W. Bush automatisch unrecht. Es spricht aber sowohl auf theoretischer Ebene wie auch auf empirischer Ebene viel dafür, dass neue Interpretationen wie die der Zentralbanken richtig liegen. Auch in meinen Publikationen findet sich die Beschreibung der Geldschöpfung als Prozess der Verlängerung der Bilanzen. Das ist auch das, was die meisten Banker, die damit beschäftigt sind, für die Praxis bestätigen können. Die Geldschöpfung der Banken „aus dem Nichts”, aber auf Grundlage von Verträgen und innerhalb bestehender Rechtsanforderungen (BGB, Bankenregulierung, etc.), ersetzt das fractional reserve banking. Damit entfallen auch die wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen von Mankiw, die in der realen Welt schon lange nicht mehr zutreffen.

Die Welt der Wirtschaft ist weit weniger mechanistisch als in einigen Lehrbüchern dargestellt. Das gilt natürlich auch für die Inflation, die ich u.a. hier diskutiert habe.