Austeritätspolitik in Tschechien

17.05.2023

In Tschechien gibt es einen „Streikalarm“ als Antwort auf die Austeritätspolitik der Regierung. Diese wird begründet mit einem Hinweis auf die Konsolidierung der Staatsfinanzen – dabei kann die tschechische Regierung in tschechischen Kronen gar nicht zahlungsunfähig werden.

Euractiv schreibt zu dem Thema:

Die Regierung hat am Donnerstag ihr Sparpaket zur Konsolidierung der Staatsfinanzen vorgestellt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen stoßen jedoch auf scharfe Kritik.

"Mit sofortiger Wirkung ruft die ČMKOS den Streikalarm aus. Das ist eine sehr ernste Situation für uns. Wir sind überzeugt, dass das, was am Donnerstag geschehen ist, alle Grenzen überschritten hat, die wir uns vorstellen können", sagte Josef Středula, Vorsitzender des Tschechisch-Mährischen Gewerkschaftsbundes, am Montag.

Die Konsolidierung der Staatsfinanzen in der tschechischen Republik kommt überraschend. Unser Nachbar ist nicht Mitglied der Eurozone. Der Monopolist der Schöpfung von tschechischen Kronen ist seine Zentralbank. Nur diese kann tschechische Kronen erzeugen, natürlich auch im Auftrag der tschechischen Regierung. Zahlt die Bundesregierung Geld aus, so erhöht seine Zentralbank das Konto der empfangenden Bank. Diese wiederum erhöht das Konto des Haushalts oder Unternehmens, welches die Zahlung ultimativ empfängt. Steuerzahlungen reduzieren die Guthaben bei der Zentralbank genauso wie die Guthaben bei den Banken. Ein Staatsbankrott kann in Tschechien also ausgeschlossen werden, da die Zentralbank sicherlich nicht einen solchen herbeiführen wird – dafür hat sie nämlich kein Mandat.

Die Austeritätspolitik ist also überraschend aus theoretischer Sicht. Aus empirischer Sicht ist es allerdings ebenso überraschend. Ein Blick auf die Staatsschuldenquoten von Belgien (rot, die ja angeblich auch eine Staatsschuldenkrise haben), Tschechien (grün), Deutschland (lila) und der Eurozone als Ganzes (blau) bringt folgendes zu Tage:

Die Staatsverschuldung in Tschechien ist lächerlich niedrig im Vergleich zur Slowakei und anderen Mitgliedern der Eurozone. Warum die Staatsausgaben kürzen, wenn die Quote bei gerade einmal knapp über 40 Prozent liegt? Die Verzinsung der Staatsanleihen ist zuletzt natürlich gestiegen, aber das ist ja die Folge der Zinserhöhung der Zentralbank:

Die Rückkehr der Austeritätspolitik in der Europäischen Union ist ein Grund zur Sorge. Schon in der Eurokrise hatte eine völlig verfehlte Geld- und Fiskalpolitik die Länder des Südens in den Ruin getrieben. Jetzt scheint eine Wiederholung möglich. Selbst ein Land, welches wie Tschechien nicht Mitglied der Eurozone ist, setzt auf die Kürzung von Staatsausgaben zur „Konsolidierung“. Dabei hat selbst der IWF gerade festgestellt, dass eine Kürzung von Staatsausgaben in entwickelten Ländern zu einem *Anstieg* der Staatsverschuldung führt.

Das Problem scheint hier nicht die Theorie zu sein und auch nicht die Empirie – beide sind klar und sprechen gegen eine Kürzungspolitik in Tschechien. Viel eher werden hier wohl ökonomische Argumente missbraucht, um Einkommen von unten nach oben umzuverteilen. Die Volkswirtschaftslehre als Disziplin täte gut daran, sich von einem derartigen Missbrauch ihrer Theorien zu distanzieren.