Wenn wir Steuern zahlen sollen, muss der Staat vorher Geld ausgeben

07.11.2022

Die Idee des Steuerzahlers, der den Staat finanziert, hält sich noch immer in vielen Köpfen. Dabei ist es ein alter Hut, dass der Staat als Geldschöpfer *erst* Geld ausgeben muss, bevor wir sein Geld über Steuern wieder zum Staat fließen lassen. Sinn und Zweck des Ganzen ist die Versorgung des Staats mit Ressourcen. Ein englisches Buch von 1863 klärt auf.

Schöpfer des Geldes ist der Staat. Meist übergibt er das Monopol der Geldschöpfung an seine Zentralbank. Über die Gesetzgebung kontrolliert eine demokratisch legitimierte Regierung dann die Zentralbank, deren Gesetze sie mit einer einfachen Mehrheit ändern kann. Da der Staat der Geldschöpfer ist, macht die Annahme des "Steuerzahlers", der den Staat finanziert, keinen Sinn. Steuern dienen nicht der Finanzierung der Staatsausgaben, denn der Staat selbst ist ja die einzige Quelle des Geldes. Was hat es dann mit den Staatsausgaben auf sich?

Die Antwort findet sich in vielen Büchern, unter anderem auch sehr detailliert für Deutschland in meinem eigenen Buch. Auch im 19. Jahrhundert, wie in den Jahrhunderten davor und danach, war den Fachleuten bekannt, dass Steuern die BürgerInnen zwingen, dem Staat einen Teil ihrer Ressourcen (Arbeitskraft, Land, Güter und Dienstleistungen, etc.) zu übergeben. Das Geldsystem ist die Weiterentwicklung der Naturalsteuer, als der Staat sich einfach zehn Prozent von allem nahm, was produziert wurde (der Zehnt). Hier die Textstelle aus dem Buch von James Taylor:

Als also das Geld als Steuer eingeführt wurde (und die Naturalsteuer ersetzte) "it becomes the duty of the Ruling Power to provide this Tribute Money". Auf Deutsch: "Es ist die Pflicht der herrschenden Macht, dieses Tributgeld bereitzustellen". Der Staat muss also erst sein eigenes Geld in Umlauf bringen, *bevor* er dieses über Steuern wieder einzieht. Rein logisch ist das gar nicht anders möglich: Steuern dürfen wir nur in der Währung des Staates zahlen, und dieser muss diese über seine eigenen Ausgaben oder über die Zentralbank bereitstellen - sonst klappt es nicht mit den Steuerzahlungen.

Kürzungen der Staatsausgaben werden nach dieser Logik ziemlich automatisch dazu führen, dass die Wirtschaft und die Steuereinnahmen einbrechen, weil weniger Ausgaben im Wirtschaftskreislauf getätigt werden. Wichtig ist hier die Betonung der Ausgaben - ob die Geldmenge (wie auch immer definiert) steigt oder nicht hat wenig Einfluss auf die Wirtschaft. Theoretisch kann es passieren, dass bei Ausgabenkürzungen des Staates und gleichzeitiger Stärkung der Liquiditätspräferenz mehr Geld in Umlauf ist, während aber die Wirtschaft schrumpft. Dieses Schrumpfen ist die Folge sinkender Staatsausgaben und nicht die Folge einer steigenden Menge an Bargeldumlauf.

Wenn also PolitikerInnen (unsinnigerweise) fordern, dass die Staatsverschuldung sinkt, dann geht das nur über steigende Steuerzahlungen, denn nur diese reduzieren die Staatsverschuldung. Steigende Steuerzahlungen haben wir aber immer nur im Aufschwung, auch in Deutschland. Die schwarze Null war das Ergebnis einer brummenden Wirtschaft, und die bekommen wir nur mit steigenden Staatsausgaben. Das Experiment mit sinkenden Staatsausgaben, genannt Austeritätspolitik, war Mitte der 2010er Jahre gescheitert: Es resultieren Massenarbeitslosigkeit und ein Einbruch des Bruttoinlandsproduktes, die erst nach dem leisen Auslaufen dieser Wirtschaftspolitik 2014-15 wieder aufhörten.

Wir sollten daher auf die wirtschaftliche Ideengeschichte genauso achten wie die Wirtschaftsgeschichte. Aus beiden können wir lernen, theoretische und praktische Fehler wenigstens nicht zu wiederholen.