Was passiert bei Verlusten der Zentralbank?

26.11.2023

Die Nachrichten zum Thema Verluste bei der Zentralbank scheinen sich zu widersprechen. Während einige behaupten, dass sei alles kein Problem, bittet die schwedische Zentralbank ihr Parlament um einen Kapitalzuschuss. Was genau passiert bei Verlusten der Zentralbank?

Eine Zentralbank ist eine ganz besondere Bank. Nur sie kann die staatliche Währung des Landes erzeugen, durch dessen Gesetze sie existiert. Die Ausnahme sind gemeinsame Währungen wie der Euro, die von jeder nationalen Zentralbank in der Eurozone geschöpft werden können. Der tatsächliche Vorgang der Geldschöpfung ist relativ unspektakulär. Die Zentralbank agiert üblicherweise als Bank der Banken und als Bank des Staates. In beiden Funktionen schöpft sie Geld.

Banken und Regierungsstellen haben ein Konto bei der Zentralbank. Wenn sich eine Bank gegen eine Sicherheit per Notenbankkredit Geld leiht, dann erhöht die Zentralbank einfach den Kontostand der entsprechenden Bank. Dies geschieht mithilfe eines Computers und einer Art Excel-Tabelle, die Zahlungssystem genannt wird. Mit Goldmünzen oder „Erwirtschaften” hat das nichts zu tun. Digitales Geld ist seit Jahrzehnten der Standard, und spätestens seit dem Aufkommen des Online-Banking ist auch den meisten von uns dies bewusst.

Die Zentralbank als Hausbank des Staates

Dass sich die Deutsche Bundesbank auch als „Hausbank des Staates“ bezeichnet, oder die Federal Reserve Bank (Fed) in den USA als „fiscal agent of the state“ ist vielen weniger bekannt. Auch in dieser Funktion schöpfen, innerhalb der gesetzlichen Regeln, die Zentralbanken Geld, diesmal für den Staat. Je nach Ausgestaltung des Regelwerks des jeweiligen Geldsystems muss dabei die Regierung ein Konto bei der Zentralbank nutzen, zuerst Staatsanleihen verkaufen und dann Geld ausgeben (USA) oder erst Geld ausgeben und dann Staatsanleihen verkaufen (Deutschland).

Dabei stellt niemand ernsthaft in Frage, dass Zentralbanken theoretisch immer neues Geld schöpfen können, sofern es die Regeln zulassen. Im Eurosystem zum Beispiel können sich Banken mit Zentralbankkrediten eindecken, sofern sie passende Sicherheiten haben. Das Eurosystem kann diese Kredite nicht verwehren. Auch Ausgaben für den Staat (in dessen Auftrag) kann die Zentralbank immer durchführen, egal wie hoch das staatliche Defizit oder die „Staatsverschuldung” sind. Eine Frage aber bleibt dann noch zu klären: Was passiert, wenn Zentralbanken Verluste machen? Können sie dann bankrott oder insolvent werden?

Kein Insolvenzrecht für Zentralbanken

Die gute Nachricht zuerst. Da es kein Insolvenzrecht für Zentralbanken gibt, kann es aus rechtlicher Sicht nicht zu einer Insolvenz kommen. Was aber passiert mit der Bilanz einer Zentralbank, wenn die Verluste das Eigenkapital aufzehren und dieses sogar negativ wird? Ein Beispiel dafür ist die tschechische Zentralbank, die jahrelang mit negativem Eigenkapital operierte. Sie ignorierte die Aufforderungen der EZB, das Eigenkapital wieder in den positiven Bereich zu bringen und wies darauf hin, dass alle ihre Funktionen auch bei negativem Eigenkapital zum Einsatz gebracht werden können.

In Schweden allerdings ist es nicht so einfach. Aus irgendwelchen Gründen wurde der dortigen Riksbank (Reichsbank) mitgegeben, dass sie immer ein positives Eigenkapital haben müssen. In Zeiten steigender Zinsen und eines großen Portfolios an Staatsanleihen ist die schwedische Zentralbank nun gezwungen, nach einer Lösung zu suchen für ein Problem, dass eigentlich keines ist. Wie es besser geht, zeigen die EZB und die Fed.

Bei jedem privatwirtschaftlichem Unternehmen ist die Bilanz sehr wichtig, weil sich daraus Informationen über Liquidität und Solvenz oder eben Insolvenz ablesen lassen können. (Ob das in der Praxis so gut funktioniert, ist eine andere Frage.) Bei den Zentralbank aber ist klar, dass sie nicht illiquide werden können – sie sind ja der Monopolist der Währung und können diese immer erzeugen. Auch wenn die Verbindlichkeiten über den Forderungen liegen, kann die Zentralbank weiterhin Geld schöpfen. Die Bilanz einer Zentralbank informiert daher die Öffentlichkeit über den Bestand an Forderungen und Verbindlichkeiten, um Transparenz herzustellen. Um Liquidität und Solvenz geht es nicht.

Kreative Buchhaltung für Zentralbanken

Weil viele an den Märkten den Unterschied zwischen Geldschöpfer (Zentralbank) und GeldnutzerInnen (Nicht-Zentralbanken) nicht verstehen, und ein negatives Eigenkapital Fragen aufwirft, haben einige Zentralbanken sich entschieden, die Löcher mit Buchhaltungsposten zu füllen, die den Charakter eines Platzhalters haben aber keineswegs eine „Forderung“ oder eine „Verbindlichkeit” abbilden. Die Fed bucht auf die Passive-Seite eine negative Verbindlichkeit, um so den Verlust des Eigenkapitals zu kompensieren. Sie informiert auf ihren Internetseiten (eigene Übersetzung):

Wenn die Kosten der Fed ihre Einnahmen übersteigen, bildet die Fed einen "abgegrenzten Vermögenswert" [deferred asset], der eine negative Verbindlichkeit darstellt, dessen Wert dem kumulierten Fehlbetrag der Einnahmen entspricht. Sobald die Fed wieder ein positives Nettoeinkommen erwirtschaftet, wird sie den Wert des abgegrenzten Vermögenswerts abbauen, bis er Null erreicht, woraufhin die Fed wieder Überweisungen an das Finanzministerium tätigt. Diese Grafik zeigt, dass die Kosten der Fed ab September 2022, nach der raschen Anhebung der Leitzinsen und dem entsprechenden Anstieg der Zinskosten der Fed, ihre Einnahmen übersteigen.

Ganz ähnlich ist es auch bei der EZB, die ebenfalls offen über dieses Thema auf ihren Webseiten schreibt (eigene Übersetzung):

Wenn unsere allgemeine Risikovorsorge bei der EZB nicht ausreichen würde, könnten die nationalen Zentralbanken der Länder des Euroraums den verbleibenden Verlust mit ihren eigenen Einkünften aus geldpolitischen Geschäften decken. Alternativ könnte der Verlust auf dem Jahreskonto der EZB verbucht werden, um mit künftigen Einkünften verrechnet zu werden.

Die Regeln des Spiels

Zentralbanken sind also mit den Verlusten, die sie aktuell aufgrund von Veränderungen bei den Bewertungen von Staatsanleihenpreisen erleiden, nicht unter Druck, ihr Eigenkapital durch Injektionen des Parlaments oder der Regierung zu verbessern. Dieser Druck entsteht nur dann, wenn die Regeln des Geldsystems nicht gut durchdacht sind, so wie das in Schweden der Fall ist. Die dortigen Regeln sollten dringend angepasst werden, damit nicht der Eindruck entsteht, am Ende müssten noch die Steuern erhöht werden, damit die Zentralbank „gerettet“ wird. Die Zentralbank und auch der Staat müssen nie „gerettet“ werden, solange sie nicht Staatsanleihen in ausländischer Währung begeben haben oder, wie im Fall von Griechenland 2010, von der eigenen Zentralbank (dem Eurosystem) nicht durch Ankäufe von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt unterstützt werden.

Zentralbanken sind, anders als private und öffentliche Banken und Unternehmen, im Wesentlichen „Punktezähler“. Sie sind wie die Bank bei Monopoly, der nie das Geld ausgeht und die neues Geld „drucken“ darf, sollte das doch mal der Fall sein. Es ist wichtig für die Öffentlichkeit, dass die Zentralbank transparent ist und erklärt, welche Assets sie warum kauft oder nicht kauft. Ihr Ziel ist nicht die Erwirtschaftung eines Gewinnes, sondern meist die Preisstabilität (EZB) und dazu noch andere Ziele, wie z.B. Vollbeschäftigung (wie in den USA). An den Ergebnissen sollte die Zentralbank gemessen werden – nicht an ihren Gewinnen oder Verlusten.