Warum Subventionen für die Ansiedlung von Unternehmen zahlen?

07.07.2023

Im Rahmen des Europäischen CHIP-Gesetzes sollen mehr Investitionen in Halbleiter entstehen. Dabei wird es dazu kommen, dass Staaten für die Ansiedlung von Unternehmensstätten Subventionen zahlen, bspw. bekommt Intel fast 10 Mrd. Euro in Magdeburg. Warum?

Wie die Tagesschau berichtet, bekommt Intel sehr viel Geld für die Ansiedlung seiner Fabrik:

Die Bundesregierung will übereinstimmenden Medienberichten zufolge die Ansiedlung des US-Chipherstellers Intel in Sachsen-Anhalt mit 9,9 Milliarden Euro unterstützen. Demnach investiert Intel in Magdeburg einschließlich staatlicher Hilfen rund 30 Milliarden Euro. Insgesamt verdoppele Intel seine Investitionen nahezu, zitiert die Nachrichtenagentur dpa aus Regierungskreisen. Die Aufstockung der staatlichen Hilfen müsse von der EU-Kommission allerdings noch genehmigt werden, berichtet die Agentur weiter.

Warum sollte der Staat 10 Mrd. Euro geben, wenn die Profite nachher dem Unternehmen und nicht dem Staat zugute kommen? Schuld daran sind die (mit mehr Produktion) fallenden Stückkosten und die unsichere weltwirtschaftliche Lage. Fallende Stückkosten sind eine besondere Konstellation in der Produktion, bei der es für ein Unternehmen günstiger ist, mehr zu produzieren. Je größer also der Output, desto geringer sind die Stückkosten. Die Ursache dafür ist die Nutzung von Maschinen und Werkzeugen in meist beträchtlichem Ausmaß. Da z.B. Roboter sehr teuer sind, sollten sie 24 Stunden am Tag laufen und immer produzieren. So können die Kosten für den Roboter auf mehr Produktion umgelegt werden. Das ist der Grund, warum ein VW Golf immer günstiger war als ein Rolls Royce. Der VW wird am Band montiert, der Rolls Royce von Hand gefertigt. Während VW die Kosten der Maschinen auf Hunderttausende Autos aufteilen kann, kann Rolls Royce das nicht – die Kosten werden auf ein paar Hundert Autos verteilt, die entsprechend deutlich teurer sind. Natürlich hat ein Rolls eine höhere Qualität als ein Golf, aber das Verhältnis von Preis und Qualität ist derart, dass sich mehr Menschen einen Golf kaufen als einen Rolls Royce. So ist es auch in der Halbleiterbranche. Die Fabriken sind riesig, und die Produktion kostengünstig.

Warum ist dann der Standort wichtig? Können europäische Unternehmen nicht einfach weiterhin Halbleiter aus China oder Asien kaufen? Anscheinend haben die Jahre des Halbleitermangels gezeigt, dass es nicht so einfach ist. Zudem begibt sich Europa in eine strukturelle Abhängigkeit, wenn (staatliche) chinesische Unternehmen z.B. jederzeit beschließen können, dass sie westlichen Firmen keine Produktion mehr verkaufen. Dies war letztes Jahr in der Arzneimittelbranche der Fall, als ibuprofen und paracetamol nicht mehr exportiert wurden. Bei strategisch wichtigen Produkten ist es sinnvoll, dass diese in befreundeten Länder produziert werden, damit die Wirtschaft nicht erpressbar ist. Die Ansiedlung von Produktionsstätten sollte dann mit staatlichem Geld unterstützt werden. Wieviel Geld? Das ist eine gute Frage. Solange der Wettbewerb stark ist, wird dass Unternehmen wohl die Subventionen in Form von geringeren Preisen weitergeben können, aber das ist nicht garantiert. Hier ist die Politik aufgefordert, den Wettbewerb genau zu überwachen, um eine Wertabschöpfung zu verhindern.

Auch andere Länder subventionieren Teil ihrer Wirtschaft. Chinesische Subventionen bei den Halbleitern sind allerdings als Datensatz nicht verfügbar. Die USA haben den CHIPS and Science Act:

Der CHIPS and Science Act stellt 52,7 Milliarden Dollar für die amerikanische Halbleiterforschung, -entwicklung, -herstellung und die Ausbildung von Arbeitskräften bereit. Darin enthalten sind 39 Mrd. USD für Produktionsanreize, darunter 2 Mrd. USD für die in Automobilen und Verteidigungssystemen verwendeten älteren Chips, 13,2 Mrd. USD für Forschung und Entwicklung sowie 500 Mio. USD für internationale Aktivitäten im Bereich der Sicherheit der Informations- und Kommunikationstechnologie und der Halbleiterlieferkette.

Eine Alternative, einfach am freien Markt zu waren, bis sich kleine Unternehmen zu großen Unternehmen entwicklen, ist unrealistisch. Kleine Unternehmen haben kleine Produktionsmengen und daher relativ hohe Preise, sie können daher also nicht wachsen. Gegen die großen Unternehmen kommen sie nicht an. Diese bauen nicht so gerne große Fabriken, weil sie eine Menge Geld dabei investieren, dass sie erstmal wieder rausbekommen müssen. Die Subventionen helfen, diese Kalkulation entscheidend zu verändern.

Die Sektoren Automobilbau und Maschinen zeigen, dass sich ursprüngliche (direkte und indirekte) Subventionen sehr lohnen können, weil über mehrere Jahrzehnte gute Arbeitsplätze entstehen. Ohne die staatlichen Bildungseinrichtungen und die Infrastruktur im Bereich Verkehr wäre es wohl nie dazu gekommen, dass die Firmen in diesen Sektoren derart gewachsen sind. Einige Firmen wie z.B. Porsche wurden sogar direkt staatlich finanziert, wie Wikipedia berichtet:

Ab 1934 konstruierte das Büro im Auftrag des Reichsverbandes der Automobilindustrie den deutschen Volkswagen, später auch KdF-Wagen bzw. VW Käfer genannt. Dieser Auftrag sowie die daraus folgende Stellung als Konstruktionsbüro der neu gegründeten Volkswagenwerk G.m.b.H., in der Ferdinand Porsche Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Aufsichtsrats war, entwickelte sich zur wirtschaftlichen Basis des Konstruktionsbüros.

In den USA (2008/09), Großbritannien (1970er) und Frankreich (1980s) wurden Automobilunternehmen zeitweise verstaatlicht, weil sie als privatwirtschaftliche Unternehmen nicht mehr funktionierten. Dies führte in den USA und in Frankreich zu einem erfolgreichen Ende mit einem Verkauf der Unternehmen zurück an den privaten Sektor und in Großbritannien zum Ende der einheimischen Marken um British Leyland. In Deutschland in den 2020er Jahren sollten Staat und Automobilwirtschaft zusammenarbeiten, um die Rahmenbedingungen herzustellen, die für erfolgreiche Unternehmen nötig sind. Zuletzt hatten Dieselskandal und schwache Qualität auf dem US-Markt das Image deutscher Autos stark ramponiert. Eine sichere Versorgung mit Halbleitern ist alternativlos und daher ein Schritt in die richtige Richtung.