Warum steigen die staatlichen Ausgaben als Anteil am BIP über die Zeit an?
Die Staatsausgaben als Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sind über die Jahrzehnte immer angestiegen. Der Grund dafür ist die höhere Nachfrage nach öffentlichen Gütern und Dienstleistungen bei höheren Einkommen.
Das Wagner'sche Gesetz (Wikipedia) besagt, dass mit steigendem Output der Anteil der Staatsausgaben am BIP immer weiter zunehmen wird, weil die Bevölkerung immer mehr wirtschaftliche Sicherheit verlangt, die nur der Staat bieten kann. Öffentliche Bildung, Arbeitslosenversicherung, Absicherung im Falle von Krankheit oder Alter, all dies sind im Wesentlichen staatliche Aufgaben, die auch zu staatlichen Ausgaben führen. Davon profitiert allerdings auch der private Sektor, denn Unternehmen können mehr verkaufen, wenn die Bevölkerung mehr Kaufkraft hat.
Die Daten vom IMF in der Abbildung oben zeigen die Staatsquoten (Staatsausgaben / BIP) für die USA, Frankreich, Japan, Großbritannien, Schweden, Spanien, Italien, Südafrika und Indien. Das Wagner'sche „Gesetz“ scheint sich z bestätigen – überall sind die Staatsquoten gestiegen. Dies ist nicht das Resultat eines politischen Prozesses, bei dem sich Parteien durchgesetzt hatten, die für einen stärkeren Staat plädierten. Es ist eher so, dass die Politik ein Stück weit zumindest den BürgerInnen mehr öffentliche Güter und Dienstleistungen verspricht, weil diese populär sind. Viele dieser staatlichen Ausgaben fallen nicht auf Bundesebene, sondern auf kommunaler Ebene an. Von daher sollte der Anstieg der Staatsquote als Folge von Entscheidungen auf der Mikroebene interpretiert werden und nicht als Resultat einer top-down-Entscheidung der jeweiligen nationalen Regierung, die Staatsquote zu erhöhen.
In einer Demokratie entscheiden die BürgerInnen über das Ausmaß an öffentlichen Güter und Dienstleistungen selbst, indem sie entsprechend Parteien wählen, die ihre Vorstellungen repräsentieren. Eine Abstimmung über die Staatsquote hingegen gibt es nicht. Diese ist „nur” eine Statistik. Die BürgerInnen sollten über die konkrete Frage abstimmen, welche öffentlichen Güter und Dienstleistungen sie gerne hätten, in welchem Umfang und zu welcher Qualität, und welche Ressourcen sie entbehren können, um diese anbieten zu können. Eine Abstimmung über die Höhe der Staatsquote hingegen erscheint nicht sinnvoll, denn hier sehen die BürgerInnen nicht, auf welche Leistungen sie konkret verzichten müssten.
Die Daten in der Abbildung oben zeigen, dass wir uns historisch gesehen nicht in einer besonderen Situation befinden. Die Staatsquoten waren in der Finanzkrise von 2008/09 schon leicht angestiegen, durch die Pandemie kam es nun 2020 zu einem erneuten Anstieg. 2021 sind die Quoten in vielen Ländern schon wieder rückläufig, denn viele staatliche Leistungen (z.B. Kurzarbeitergeld) sind nicht mehr notwendig. Aufgrund der Polykrisen wäre zu erwarten, dass die staatlichen Ausgaben in den 2020er Jahren weiter ansteigen werden, da wir erstens in den letzten Jahrzehnten den öffentlichen Kapitalstock auf Verschleiß gefahren haben und zweitens in Bezug auf Klimakrise (Vermeidung und Anpassung) die Infrastruktur fit für das 21. Jahrhundert machen müssen. Wichtig sind dabei die Entscheidungen auf der Mikroebene, welche für uns alle relevant ist, und nicht die Staatsquote.