Warum die Finanzierung bei Kriegen und anderswo nicht das Problem ist
Die US-Finanzministerin Janet Yellen sagte jüngst, dass die USA problemlos zwei Kriege (Ukraine und Israel) finanzieren könnten. Dies zeigt, dass die Finanzierung bei Kriegen nicht das Problem ist. Das Problem sind, auch außerhalb von Kriegen, die begrenzten Ressourcen, nicht das Geld, welches die Zentralbank des jeweiligen Staates als Monopolist schöpft.
In einem Interview mit Janet Yellen bei Sky geht es um die Frage, ob sich die USA zwei Kriege leisten können. Die Antwort könnte eindeutiger nicht ausfallen:
"Wir müssen sowohl für Israel als auch für die Ukraine Mittel bereitstellen. Das ist eine Priorität", sagte Frau Yellen.
"Es liegt wirklich am Repräsentantenhaus, einen Sprecher zu finden und uns in eine Position zu bringen, in der Gesetze verabschiedet werden können."
Während dies vielleicht im ersten Augenblick nicht sehr spektakulär klingt, ist schon mal gleich deutlich, worum es nicht geht: Es geht nicht darum, die Steuern zu erhöhen, damit mehr Geld ausgegeben werden kann für Kriege. Es geht nicht darum, mehr Staatsanleihen zu verkaufen, um die Erlöse in Kriegsgüterproduktion zu stecken. Es geht also nicht um Finanzierung – es geht um den Haushalt! Wenn im Haushalt der US-Regierung „Mittel bereitgestellt” werden, dann können diese verausgabt werden. Wie genau ist eine technische Frage, aber das ist bisher noch immer gutgegangen.[Leerzeile, weil Webnode zu dämlich ist, einen vernünftigen Editor zu programmieren.]
Aus den Ausführungen folgt, dass eine „Knappheit” des Geldes beim Staat keine technische Knappheit ist. Es ist also nie der Mangel an „Geld”, der dafür sorgt, dass der Staat keine Ausgaben tätigen kann, sondern immer der Mangel an Ressourcen, der dafür sorgt, dass der Staat nicht das kriegen kann, was er will. Geld bewegt Ressourcen. Sind keine Ressourcen da, wird auch nichts bewegt. Sind allerdings Ressourcen da, kann der Monopolist des Geldes – die Regierung mit ihrer Zentralbank – sie auch bewegen, wenn der politische Wille da ist. Das gilt für Kriege, aber auch für Sozialprogramme. Der Staat kann es sich immer leisten, Geld an Arme zu zahlen oder Beschäftigung zu schaffen für Arbeitslose. Es ist immer eine Frage des politischen Willens.
Adam Tooze schreibt zu dem Thema auf Substack sehr ähnlich:
Die Erkenntnisse des linken Keynesianismus, der MMT und anderer werden im Allgemeinen als befreiend empfunden, da sie die demokratische Politik von den Fesseln fiskalischer Regeln befreien, wie z. B. die amerikanische Schuldenobergrenze oder die deutsche Schuldenbremse. Was unsere Wahlmöglichkeiten tatsächlich einschränkt, sind die Knappheit der wirtschaftlichen Ressourcen, die verfügbaren Technologien und unsere Fähigkeit, eine politische Einigung zu erzielen. Fragen der Finanzierung und der "Bezahlbarkeit" sind sekundäre, organisatorische und technische Angelegenheiten. Sie reduzieren sich auf Fragen des Rechts und der Buchführung. Diese sind nicht trivial. Sie haben ihre eigenen institutionellen Verästelungen. Aber sie sind formbar.Das mag befreiend sein, aber es erhöht auch den politischen Einsatz. Wenn wir für die keynesianische Vision eintreten, können wir uns nicht mehr auf Haushaltszwänge berufen, um Optionen auszuschließen, die wir ablehnen. Wenn eine Seite einen Krieg oder sogar zwei oder drei Kriege bevorzugt, steht die Haushaltsarithmetik dem nicht im Wege. Vielmehr sind es die Ethik, die Politik oder die Staatsraison. Ich habe diesen Punkt bereits 2021 anlässlich des Abzugs aus Afghanistan angesprochen, als es um die Frage ging, wie die Linke über die Frage nachdenken sollte, wie Amerika für den globalen Krieg gegen den Terrorismus bezahlt hat.
Ich erkenne hier eine gewisse Demokratieskepsis. Wenn Tooze schreibt „[w]enn wir für die keynesianische Vision eintreten, können wir uns nicht mehr auf Haushaltszwänge berufen, um Optionen auszuschließen, die wir ablehnen“ dann frage ich mich sofort, wer denn hier „wir“ ist. Meint er damit die ganze Gesellschaft? Und wieso sollten „wir“ uns auf Haushaltszwänge berufen, um Optionen abzulehnen? Sollten nicht Optionen abgelehnt werden, weil die Ressourcen nicht da sind, oder anders besser verwendet werden könnten? Das wären doch die normalen politischen Argumente, dass man politische Maßnahmen ablehnt, weil man sie für wirkungslos hält, für schädlich oder gefährlich für etwas, was man höher schätzt. Wenn überhaupt unter Berufung auf Haushaltszwänge so wie jetzt bei der Bundesregierung in Deutschland Optionen abgelehnt werden, dann handelt es sich meist um Ausgaben im Bereich Soziales, wie z.B. die Kindergrundsicherung.
In einer Demokratie reguliert die Politik die Staatsausgaben, und das geht nur dann, wenn es keine Schuldenbremsen gibt. Sonst kann der Fall eintreten, dass eine politische Mehrheit einen Haushalt verabschiedet, der dann aufgrund der Schuldenbremse im Nachhinein „einkassiert“ wird – im nächsten Haushalt müssten die Ausgaben dann gesenkt werden. Wenn wir aber als WählerInnen nicht mehr über den Haushalt entscheiden dürfen, also über die Ausgaben der Regierung, was bleibt denn dann noch von dem Wort „Demokratie“? Der Haushalt ist zentral für eine Demokratie und ein derartiger Eingriff ins Haushaltsrecht einer aktuellen Regierung ist meiner Meinung nach nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren. In einer Demokratie sollte die Macht im hier und heute liegen, und nicht bei PolitikerInnen der Vergangenheit, die uns mit ihren Ausgabenregeln in der Ausübung unserer Demokratie einschränken.