Wachstum und Frieden

21.12.2022

Seit Jahrhunderten gibt es das Argument, dass Handel zu Frieden führt. Schliesslich würde Krieg ja bedeuten, dass auf beiden Seiten die Handelstreibenden verlieren. Der Fall Russland zeigt, dass dies leider nur begrenzt gilt.

Pro-Kopf-BIP in laufenden USD, Russland und China, 1960-2020

Die Idee, dass Handel Frieden stiftet, wird immer wieder gerne vorgetragen. Die Invasion Russlands in der Ukraine hat deutlich gemacht, dass die Sache etwas komplizierter ist. Vielleicht haben wir den historischen Zufall überschätzt und müssen die Periode 1990-2021 neu bewerten. Das russische Pro-Kopf-Wachstum (orange) hatte sich seit dem Jahr 2000 ein Jahrzehnt lang sehr gut entwickelt, getragen von einem Rohstoffpreisboom. Russland wuchs auf Basis dieser Daten sogar stärker als China. Dies änderte sich erst Anfang bzw. Mitte der 2010er Jahre, vermutlich ausgelöst durch fallende Rohstoffpreise. Das Pro-Kopf-Einkommen sackte von 16.000$ auf 9.000$. Das Vorkrisenniveau wurde dann nicht mehr erreicht.

Die gute Nachricht für den Weltfrieden ist die, dass in China das Wachstum stabil ist. Auch wenn jetzt noch eine nachgeholte Corona-Pandemie droht, hat China durch einen Krieg sicherlich mehr zu verlieren als Russland. Schließlich ist es auf Exportmärkte angewiesen für seine industriellen Güter und zudem auch auf westliche Technologie, auch wenn die Abhängigkeit dort abgenommen hat und China inzwischen in einigen Sektoren sogar führend ist (z.B. Solarindustrie).

Sollte das wirtschaftliche Argument für den Weltfrieden nicht ausreichen, und danach sieht es wohl momentan aus, dann liegt die Lösung im Bereich der Politik. Wir brauchen Institutionen, die den Frieden sichern. Solche Institutionen wie die Vereinten Nationen existieren bereits. Nun muss darüber nachgedacht werden, wie wir bestehende Institutionen umbauen und neu ausrichten und neue Institutionen schaffen, welche uns helfen, den globalen Frieden zu sichern. Die Volkswirtschaftslehre kann dabei nur bedingt helfen.

Die vielleicht wichtigste Erkenntnis ist die, dass Abhängigkeiten finanzieller Art (Verschuldung in fremden Währungen wie dem US-Dollar) und wirtschaftlicher Art (notwendige Importe von Energie und Nahrungsmitteln) wohl am besten zu vermeiden sind. Diese Autonomie sollte nicht mit Autarkie verwechselt werden. Es geht nicht darum, sich vom Rest der Welt abzukapseln, sondern eine gesunde Mischung zu finden zwischen internationaler Arbeitsteilung und Souveränität des Landes in Bezug auf die grundlegende Versorgung mit Rohstoffen, Energie und Nahrungsmitteln. Wenn Globalisierung hieß, die internationale Arbeitsteilung voranzutreiben ohne Absicht auf politische Realitäten, dann ist sie wohl jetzt zu Ende. Das heißt aber nicht, dass der Welthandel zum Erliegen kommt und sich die Länder nach innen kehren. Die neue Konfiguration wird in den nächsten Jahren entstehen und sicherlich zusammenfallen mit der Bekämpfung des Klimawandels.