Steuerzahlergeld und Privatisierungen - zwei wie Pech und Schwefel

05.06.2024

Die Bundesregierung hat Telekom-Aktien verkauft mit der Begründung, das Geld werde für die Deutsche Bahn gebraucht. Hier wird einmal mehr deutlich: Der Mythos des Steuerzahlergelds wird dazu genutzt, Privatisierungen durchzuführen.

Die Tagesschau berichtete gestern:

„Die bundeseigene Förderbank KfW verkauft ein weiteres Aktienpaket am Telekom-Konzern. 110 Millionen Aktien des Dax-Konzerns sollen an institutionelle Investoren verkauft werden, wie die Bank nach Börsenschluss mitteilte. Gemessen am Xetra-Schlusskurs liegt der Erlös bei etwa 2,5 Milliarden Euro.

Nach Angaben des Finanzministeriums soll der Erlös der Bahn zugutekommen. "Der Bund wird den ihm durch die Transaktion zufließenden Nettoerlös einsetzen, um das Eigenkapital der Deutsche Bahn AG zu stärken und die Bahninfrastruktur in Deutschland zukunftsweisend auszubauen", teilte das Finanzministerium mit. Eine Summe wurde darin nicht genannt.

Bereits im Dezember war darüber spekuliert worden, wie der Bund das Geld für die benötigte Modernisierung generieren kann. In den Plänen klafft eine Finanzierungslücke, weil es nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine Mittel aus dem Klima- und Transformationsfonds für die Bahn gibt.“

Wer diesen Text liest, stellt sich die Bundesregierung als schwäbische Hausfrau vor. Sie muss erst Geld einnehmen, bevor sie Geld ausgeben kann. Sie muss, so wie wir auch, alle Ausgaben „finanzieren“. Dies entspricht allerdings nicht den institutionellen Gegebenheiten. Die Bundesregierung gibt Geld aus, indem die Deutsche Bundesbank (im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen) den Kontostand einer Bank erhöht und dieser die Information mitgibt, welchen Kontostand eines Kunden die Bank erhöhen soll. Geldschöpfung bedeutet konkret, dass in der Buchhaltung der Bank oder Zentralbank eine Zahl erhöht oder reduziert wird. Das ist alles.

Dabei gibt es für die Bundesregierung kein technisches Limit. Sie kann immer und vollumfänglich Ausgaben in gewünschter Höhe tätigen. Sie muss eben nicht „finanzieren“, da sie über den Geldschöpfer in das Zahlungssystem eingebunden ist. Die Bundesbank schöpft Geld, Euros, als Oligopolistin der Währung, da sie ihr „Monopol“ mit anderen nationalen Zentralbanken im Eurosystem (und der EZB) teilt.

Die Nutzung der Metapher der schwäbischen Hausfrau hingegen verleitet die Bundesregierung immer dazu, „kein Geld“ zu haben. So werden dann Aktien verkauft, um Geld zu haben für die Bahn. Dabei geht es eigentlich gar nicht um die „Finanzierung“. Es geht vielmehr darum, dass die Bundesregierung nicht gegen die Schuldenbremse verstoßen möchte. So will sie ihre Ausgaben nicht erhöhen, ohne die Einnahmen zu erhöhen, da sonst das Defizit steigt. 

Die Schuldenbremse existiert wiederum nur, weil ja die „Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen“ gesichert werden soll – die bereits zu 100% durch das Eurosystem gesichert ist. Auch hier wurde der Steuerzahlermythos genutzt, um eine Institution einzuführen, die das Geld des Staates verknappt durch wissenschaftlich nicht zu haltende Regeln.

Wer ja sagt zum Steuerzahlergeld und damit nein zu Modern Money Theory, der sagt auch ja zu Privatisierungen, ja zur Schuldenbremse und ja zu den europäischen Fiskalregeln. Da diese Politikmaßnahmen dysfunktional sind für 99% der Bürger, entlädt sich die Wut der Wählerschaft über permanente Massenarbeitslosigkeit, insbesondere bei Jugendlichen, politisch – siehe Italien. Das gleiche gilt für die Wut über einen mehr und mehr unfähigen weil kaputtgesparten Staat, der die Infrastruktur verfallen lässt und so bspw. Regionen abseits der Metropolen in Deutschland abhängt von Wirtschaftswachstum und Beschäftigungschancen.

Der Staat, und das gilt insbesondere für die Bundesregierung, sollte sich für das Gemeinwohl einsetzen. Das kann er aber nicht, wenn man ihm das Gewinnstreben des privaten Sektors überstülpt und er gezwungen ist, nur dann Geld auszugeben, wenn er es zurückbekommt. Der Staat soll nach dem Grundgesetz Demokratie und Soziales durchsetzen. Mit dem Steuerzahlermythos und der Schuldenbremse wird das nicht gelingen.

Wer Privatisierungen verhindern möchte, der darf nicht über den Mythos des Steuerzahlergeldes schweigen. Es ist dieser Mythos der schwäbischen Hausfrau, der eine Politik legitimiert, die der Mehrheit der Bevölkerung schadet und eine Politik verhindert, die der Mehrheit der Bevölkerung zugute kommen würde.