Sinken 2024 staatliches Defizit und Staatsschuldenquote?

15.12.2023

Der deutsche Finanzminister spricht von einer fiskalischen Trendwende, die Schuldenquote und das Staatsdefizit würden sinken und diese Konsolidierung würde auch 2024 fortgesetzt werden. Die Zeichen aus der Wirtschaft deuten allerdings darauf hin, dass es wohl nicht so kommen wird.

Das staatliche Defizit ist die Differenz zwischen Staatsausgaben und Steuereinnahmen. Sind die Staatsausgaben höher als die Staatseinnahmen, dann sprechen wir von einem „Defizit“. Da in einer Wirtschaft die Ausgaben des einen zu Einnahmen des anderen werden, dürfen wir das staatliche Defizit nicht isoliert betrachten. Es ist verknüpft mit den Ausgaben und Einnahmen des privaten Sektors (Haushalte und Unternehmen) und des Auslands. Ein staatliches Defizit beispielsweise führt dazu, dass die anderen beiden Sektoren mehr sparen können. Warum?

Betrachten wir vereinfacht die Welt als zwei Sektoren: Deutscher Staat und (globaler) Nicht-Staat. Wenn der deutsche Staat mehr ausgibt als er einnimmt, muss der Nicht-Staat mehr einnehmen als er ausnimmt. Alles andere wäre unlogisch, da wir Ausgaben hätten, die nicht zu Einnahmen führen – so etwas gibt es in der Realität aber nicht. Staatliche Defizite sind in den meisten Ländern normal in dem Sinne, dass die meisten Quartale ein solches ausweisen. Das gilt auch für Deutschland, wie die Abbildung zeigt, abgesehen von den 2010er Jahren. Der rote Balken zeigt von 2000 bis 2010 nach unten, was staatliche Defizit anzeigt. Welcher Sektor hat die entsprechenden Überschüsse verbucht? Es war der private Sektor (blauer Balken), der mehr einnahm als er ausgab.

Der grüne Balken zeigt die finanzielle Überschüsse des Auslands an bzw. die finanziellen Defizite, wenn der Rest der Welt mehr Geld für deutsche Exporte ausgibt als er an Geld für Exporte nach Deutschland bekommt. Wenn also in Deutschland der private Sektor (Haushalte und Unternehmen) und der öffentliche Sektor gleichzeitig „sparen“ sollen, dann geht das nur, wenn der Exportüberschuss wächst und gleichzeitig die deutsche Wirtschaft nicht schrumpft (denn das würde zu einbrechenden Steuereinnahmen führen, was wohl ein staatliches Defizit nach sich ziehen würde).

Der Finanzminister muss also implizit von zwei Dingen ausgehen, wenn er meint, dass staatliches Defizit und Staatsverschuldung 2024 sinken:

  1. Der deutsche Exportüberschuss steigt deutlich an und 

  2. kompensiert die Schwäche der Binnennachfrage (u.a. ausgelöst durch sinkende Staatsausgaben). 

Damit ist die Entwicklung der Weltwirtschaft der wichtige Treiber, ohne den nichts gehen wird. Die Zeichen dort stimmen allerdings keineswegs optimistisch:

Das Wachstum der Eurozone wurde jüngst nach unten korrigiert auf 0,6%. Dazu drohen nach ETUC Kürzungen bei den Staatsausgaben in der Eurozone in Milliardenhöhe. Frankreich bspw. wächst ein bisschen, allerdings liegt das staatliche Defizit bei 5% und eine Rückkehr der Austerität würde damit auch das große Nachbarland in die Rezession stoßen.

Die chinesische Wirtschaft ist in der Deflation und hat signifikante Überkapazitäten, so wie es aussieht.

Die Wachstumsprognose des IWF wurde von 3,0% auf 2,9% korrigiert

Nur die Wirtschaft in den USA brummt, und zwar nicht trotz, sondern auch wegen der hohen Zinsen, die zu höheren Zinszahlungen an die Besitzer der Staatsanleihen führen. Wesentlich sind in den USA steigende Staatsausgaben, weil dort die Regierung weniger zögerlich agiert und nicht auf Berater hört, deren Vorhersagen sich im Nachhinein als haarsträubend falsch erwiesen haben.

Es ist also für 2024 nicht unwahrscheinlich, dass die Kürzungen der Staatsausgaben im Haushalt 2024 zu einem schwächeren Wachstum führt, zu weniger Investitionen und weniger Beschäftigung – und damit zu einem höheren Defizit und einer höheren Staatsverschuldung. Da die Höhe der Staatsverschuldung aus gesamtwirtschaftlicher Sicht keine Folgen hat, solange sie nicht politisch reglementiert ist (wie ggf. bei einer Reform der europäischen Fiskalregeln), ist das kein wirkliches Problem. Das wirkliche Problem ist, dass die Wirtschaft nicht läuft und der Grund dafür eine Finanzpolitik ist, die entgegen der Lehrbuchmeinung in der Rezession eine Reduktion der Staatsausgaben durchzieht.

Die einzige Hoffnung, dass das noch irgendwie funktionieren kann, liegt beim Exportsektor. Wenn sich dort nichts zum Guten wendet, ist es so gut wie ausgeschlossen, dass 2024 ein wirtschaftlich gesehen gutes Jahre wird. Die deutsche Unternehmen werden das entsprechend zu spüren bekommen. Ein Umsteuern bei der Wirtschaftspolitik liegt in ihrem eigenen Interesse. Wie wir ja oben gesehen haben, sind staatliche Defizite die Kehrseite von Überschüssen bei nicht-staatlichen Sektor. Zu diesen Überschüssen gehören auch die Unternehmensgewinne. Und wenn die sinken, weil der Staat zu wenig Geld ausgibt, dann wird es für einige Unternehmen eng werden. Schuld daran wäre die zu geringe Nachfrage und damit die Wirtschaftspolitik.