Profitieren Banken von höheren Zinsen?

19.04.2023

Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) und der Credit Suisse (CS) hat in den letzten Wochen zu dem Eindruck geführt, dass Banken durch höhere Zinsen Verluste einfahren. Dies ist nicht richtig – Banken gewinnen, nur kurzfristig kann es kleine Dellen geben.

Seit den Bankenbeben in den USA und der Schweiz, über die ich hier berichtete, sind Medien und Wirtschaftspolitiker in heller Aufregung. Bei einigen scheint es so, dass sie befürchten, dass höhere Zinsen die Banken massenhaft in die Pleite treiben könnten. Ein genauer Blick offenbart, dass dies nicht zu befürchten ist. Zudem steigen mit den Zinsen mittel- und langfristig die Gewinne der Banken. Warum ist das so?

In einem Artikel in DIE ZEIT würde jüngst über die Gewinnentwicklung beim Sparkassenverband berichtet. Darin heißt es, dass die Sparkassen 2022 weniger verdient haben als noch 2021 aufgrund von Abschreibungen auf Wertpapiere. Richtigerweise wird aber gleich erklärt, warum das kein Problem ist:

Der rasante Zinsanstieg seit vergangenem Sommer führte jedoch zu Kursverlusten an den Märkten, etwa für Staatsanleihen, die einen Großteil der Eigenanlagen der Sparkassen ausmachen. Das hat dazu geführt, dass Institute fast acht Milliarden Euro auf festverzinsliche Wertpapiere abschreiben mussten.

Das sei aber kein Grund zur Sorge, sagte Schleweis. "Wenn die Papiere bis zur Endfälligkeit gehalten werden, dann werden sie zu 100 Prozent zurückgezahlt und holen die zwischenzeitlichen Wertkorrekturen wieder auf." Er erwarte, dass das der Regelfall bei Sparkassen sein werde, sagte Schleweis.“

Herr Schleweis hat Recht, wie ein Beispiel zeigen soll. Wenn eine Bank eine Staatsanleihen kauft für 1 Million Euro (darunter geht es übrigens nicht), bezahlt sie dafür etwa 1 Million Euro. Da die Staatsanleihen versteigert werden, können auch mal Gebote zum Zug kommen, die etwas dadrunter liegen. Es kann aber auch dazu kommen, dass die Gebote darüber liegen. Entscheidend ist die Frage des Zinses in Verbindung mit der Laufzeit. Sind die Staatsanleihen attraktiv verzinst? Nehmen wir an, die Bank hat Anfang 2020 eine Staatsanleihen für eine Million Euro gekauft, die nach 4 Jahren Laufzeit eine Million Euro auszahlt. Die Verzinsung liegt also bei null Prozent, was 2020 üblich war. Am 31.12.2023 bekommt die Bank die eine Million Euro zurück. Die Bank wird also keinen Verlust machen, wenn sie „die Papiere bis zur Endfälligkeit gehalten” hat.

Der aktuelle Marktpreise der Papiere liegt allerdings bei unter 1 Million Euro. Warum? Die steigenden Zinsen haben dazu geführt, dass Banken ihre Reserven (Guthaben bei der Bundesbank) zum Einlagezins von 3 Prozent parken können. Warum sollten sie dann mit den Reserven eine Staatsanleihe kaufen, die mit null Prozent verzinst ist? Genau. Die alte Staatsanleihe ist also unattraktiv, aber eine andere Bank würde sie dann kaufen, wenn der Preis dieser Staatsanleihe so niedrig ist, dass das angelegte Geld der Bank mit mehr als 3 Prozent verzinst wird. Sollte beispielsweise die Bank, welche die alte Staatsanleihe besitzt, diese verkaufen wollen, um mehr Reserven vorzuhalten, dann wird sie für den Preis von 1 Million Euro keine Käufer finden. Auch bei einem Abschlag von 1 Prozent und einem Preis von 990.000 Euro findet sich kein Käufer. Erst ab 3 Prozent Abschlag (auf das Jahr gerechnet) findet sich ein Käufer. Bei 970.000 Euro als Kaufpreis würden Banken zuschlagen, denn es wird ja schon Ende des Jahres ausgezahlt und wir sind schon in Q2. 3 Prozent in einem Dreivierteljahr sind besser als 3 Prozent pro Jahr, also wird sich ein Käufer finden.

Wenn die Banken durch die Bilanzierungsregeln gezwungen sind, die Staatsausgaben zum aktuellen Marktpreis in die Bilanz zu schreiben, dann haben die Banken mit einem Portfolio, welches auch Staatsanleihen umfasst, kurzfristig Verluste. Beim Sparkassenverband sind das 8 Milliarden Euro gewesen. Das bedeutet aber keineswegs, dass dieses Geld „verloren” ist. Ganz im Gegenteil: Bei Fälligkeit sind die 8 Milliarden Euro wieder da, denn am 31.12.2023 steigt der Marktpreis wieder auf 1 Million Euro bzw. die Anleihe wird fällig und erlöst 1 Million Euro. Wenn zukünftig die Staatsanleihen höher verzinst werden, wird das mittel- bis langfristig dazu führen, dass die Banken entsprechend höhere Gewinne haben. Es kann also keine Rede davon sein, dass höhere Zinsen die Banken in den Ruin treiben.

Auch das Wall Street Journal (WSJ) ist der Meinung, dass Banken von steigenden Zinsen profitieren. In einem Artikel mit dem Titel „How banks win when interest rates rise“ von 2021 heißt es (eigene Übersetzung):

„Die Banken erzielen ihre Hauptgewinne, indem sie mehr Zinsen von den Kreditnehmern einnehmen, als sie den Einlegern zahlen müssen. Wenn die Fed die Zinssätze anhebt, können die Banken anfangen, mehr für Kredite zu verlangen, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie sofort höhere Kosten für Einlagen haben werden.“

So ist es. Banken profitieren von steigenden Zinsen, wenn sie die Zinssätze bei den Krediten anpassen können. Sie verlangen von ihren KundInnen mehr, gleichzeitig aber lassen sie die Sparzinsen für die KundInnen mit den Guthaben unten. Die Differenz streicht die Bank ein. Dies funktioniert am besten, wenn die Kredite, welche die Bank an Haushalte und Unternehmen vergeben hat, einen flexiblen oder auch variablen Zins haben. Bei vielen Immobilienkredite und Hypotheken ist das der Fall. Die Bank muss dann gar nichts tun, die Gewinne steigen automatisch. Zwar muss sich die Bank nun auch Reserven zu höheren Zinsen von anderen Banken oder der Zentralbank leihen, aber die Ausleihe von Reserven ist viel geringer als die Kreditsumme. Dies gilt insbesondere heute, denn die Zentralbanken haben die Banken mit Reserven geflutet, indem sie diesen die Staatsanleihen abkauften. Die Hauptrefinanzierungsfazilität der EZB wird so gut wie gar nicht mehr benutzt. Also treffen steigende Zinsen die Banken nicht, während sie im Gegenteil davon profitieren, dass ihre Reserven höher verzinst werden. Dies wird zu mehr Verlusten bei den Zentralbanken führen, aber als Geldschöpfer kann ihnen dieses ja nicht ausgehen.

Banken profitieren also mittel- bis langfristig von höheren Zinsen, die kurzfristigen Buchverluste sind allerdings für eine Bank tendenziell problematisch. Sie können dazu führen, dass das Eigenkapital aufgebraucht wird und die Regulierungsbehörde die Bank dann schließt. Sollte die Bank dies vermeiden können, kann sie sich auf fette Jahre einstellen. Im Gegensatz zu 2008/09 haben die großen Banken keine bedeutsamen Portfolios an Immobilien, die durch einen möglichen Preisverfall die Bilanz unter Druck setzen würden. Die Zukunft der Banken kann also vorsichtig optimistisch eingeschätzt werden. Eine Wiederholung der Finanzkrise von 2008/09 zeichnet sich aktuell nicht ab.