Politik oder Markt - wer bestimmt die Höhe der Rente?

22.03.2024

Die Aktienrente ist ein weiteres Instrument, um die Demokratie auszuhöhlen. Anstatt dass die Politik darüber entscheidet, was eine gerechte Rente ist, wird in Zukunft der Markt darüber entscheiden, wie hoch ein Teil dieser Rente ausfällt. Die Aktienrente wird wie die Riesterrente ein Flop.

Die Aktienrente soll jetzt kommen – warum aber eigentlich? Der Deutschlandfunk versucht sich an einer Erklärung (fett durch den DLF):

„Das deutsche Rentensystem ist umlagefinanziert. Das bedeutet: Erwerbstätige zahlen in die Rentenkasse ein, das einbezahlte Geld wird an die Rentnerinnen und Rentner ausgezahlt. Durch den demografischen Wandel gerät dieses System jedoch in eine Schieflage: Den einzahlenden Erwerbstätigen stehen immer mehr Rentenempfänger gegenüber. Diese Situation könnte sich noch verschärfen, wenn in den kommenden Jahren die geburtenstarke Generation der sogenannten Babyboomer in Rente gehen wird.

Um dieses Problem zu lösen, müssten entweder der in die Rentenversicherung einfließende Betrag wachsen, etwa durch höhere Beiträge, oder der Abfluss aus der Kasse verringert werden, etwa durch Kürzungen bei den Rentenzahlungen. Weitere Möglichkeiten wärendie Verlängerung der Lebensarbeitszeit oder eine Änderung des Rentensystems und dessen Finanzierung.“

Diese Sicht beherrscht die Debatte, aber sie ist falsch. Die Umlagefinanzierung bedeutet nicht, dass *erst* die Arbeiter in die Rentenkasse einzahlen und *dann* das Geld aus der Rentenkasse an die Rentner ausbezahlt wird. Wie alle anderen Ausgaben der Bundesregierung – also auch z.B. beim Kindergeld – bezahlt diese, indem die Deutsche Bundesbank im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) die Konten der empfangenden Banken erhöht. Die Banken erhöhen dann den Kontostand der Rentner, welche die Zahlungen empfangen. Bezahlt wird also mit Geldschöpfung.

Warum zahlen dann die Arbeiter in die Rentenkasse ein?

Wenn die Arbeiter nicht in die Rentenkasse einzahlen würden, dann hätten sie mehr Kaufkraft zur Verfügung und würden sich vom Kuchen BIP ein zusätzliches Stück kaufen und konsumieren. Die Rentner gingen leer aus – wenn sie konsumieren wollen, ist der Kuchen schon weg. Also werden sie früher konsumieren wollen und dann streiten sich Arbeiter und Rentner um den begrenzten Kuchen. Das Problem bei der Rente ist nicht das Geld, sondern der begrenzte Kuchen – das BIP. Damit Arbeiter und Rentner nicht beim Versuch, ihren Anteil am Kuchen zu erhöhen, die Preise hochbieten, zahlen die Arbeiter Rentenbeiträge an den Staat. Damit wird ihre Kaufkraft reduziert, die Rentner können jetzt also in Ruhe ihr Stück des Kuchens kaufen. Das Geld, was die Arbeiter an den Staat zahlen, verwendet der mehr oder weniger zum Rückkauf von Staatsanleihen – die Staatsverschuldung sinkt, das Geld ist somit vernichtet. Es gibt also gar keine „Rentenkasse“, die irgendwie gefüllt wäre mit Geld. Das ist eine reine Statistik. Wie wir zuletzt gesehen haben, kann der Bundesregierung das Geld nicht ausgehen. Auch politische Regeln lassen sich durch Sondervermögen legal ausschalten.

Warum dann eine Aktienrente?

An der Aktienrente verdienen die Akteure am Finanzmarkt, denn je größer der Einsatz, desto besser läuft das Spiel. Wenn am Pokertisch eine Gruppe Neulinge auftaucht, die mit dem Geld anderer Leute spielt, dann freuen sich alle Spieler, denn sie erwarten dann fettere Gewinne. Die Aktienrente tut rein gar nichts, um das wesentliche Problem bei der Rente anzugehen: die Größe des Kuchens müsste erhöht werden. Am Aktienmarkt kann ich aber nur Aktien kaufen, die ein anderer besitzt – Investitionen in die Realwirtschaft und damit in das Produktionspotential werden so nicht erhöht. Ebenfalls ist zu erwarten, dass neue Arbeitsplätze durch die Aktienrente entstehen und deren Befürworter dann als „Consultants“ oder im öffentlichen Dienst mit gut dotierten Kontrakten ausgestattet werden. Zu guter letzt erhoffen sich Finanzmarktfirmen, dass die Aktienrente nur der Einstieg in die kapitalgedeckte Rente ist. 

Was ist die Alternative?

Der richtige Weg wäre, dass der Staat sich ansieht, welche Ressourcen die Rentner wohl in Zukunft konsumieren wollen: Güter und Dienstleistungen in In- und Ausland. Dann müsste er schätzen, wieviele Arbeitskräfte dafür gebraucht werden in der Pflege, in Urlaubsgebieten, etc. Anhand dieser realen Ressourcenabschätzung würde der Staat dann schätzen, in welcher Höhe eine Rente ausgezahlt werden kann, ohne dass es zu Inflation kommt. Sollten die Ressourcen nicht ausreichen, kann der Staat die Rentenbeiträge erhöhen oder die Steuern oder mehr Arbeitskräfte (z.B. in der Pflege) ausbilden oder neue Güter und Dienstleistungen für Rentner entwickeln, die weniger Ressourcen benötigen, wie z.B. ICE-Verbindungen zu den Inseln in Nord- und Ostsee, damit keiner mehr mit Auto dorthin fahren muss und im Stau auf der einspurigen Brücke einen ganzen Nachmittag verbringt.

Die Idee einer Aktienrente ist zudem demokratietheoretisch bedenklich. In der umlagefinanzierten (also Geldschöpfungsfinanzierten) Rente entscheidet die Bundesregierung über die Höhe der Renten. Da dies eine sehr politische Entscheidung ist, macht das wohl auch Sinn. Schließlich gibt es keine „Gleichgewichtsrente“ oder „gerechte Rente“, weil wir uns nicht auf Normen einigen können, anhand derer so etwas bemessen werden kann. Bei der Aktienrente entscheiden die Finanzmärkte über die Höhe der Rente. Hier kann die Verantwortung für zukünftige niedrige Renten auf den anonymen Markt abgeschoben werden. Warum werden zukünftige Renten niedrig sein? Weil die heutigen Löhne gering sind. Der größte Niedriglohnsektor Europas wird so perspektivisch zum größten Niedrigrentesektor Europas. Die Politik versucht daher, die eigene Verantwortung auf „die Finanzmärkte“ abzuschieben, anstatt das Problem an der Wurzel zu packen und den Niedriglohnsektor zu einem Gerechtlohnsektor zu machen.

Wer heute den Niedergang der Demokratie beklagt, darf zum Niedriglohnsektor und zur Aktienrente nicht schweigen. Hier werden Millionen Menschen von der Politik benachteiligt.