IWF: Was sind staatliche Schulden?

26.02.2024

Der Internationale Währungsfonds hat einen Artikel zur Frage: „Was sind Staatsschulden“? veröffentlicht. Leider werden nur alte Kamellen serviert – eine vergebene Chance für mehr Aufklärung über Geld und Schulden, die gerade in Deutschland sehr nötig wäre.

Der Artikel von Abbas und Pienkowski beginnt mit einer historischen Betrachtung (Übersetzung mit DeepL, auch bei den folgenden Absätzen):

Als Edward III. von England kein Geld mehr hatte, um den Hundertjährigen Krieg mit Frankreich zu finanzieren, wandte er sich an die Bankiersfamilien von Florenz. Die Kredite, die sie ihm gaben, waren extrem teuer, und als Edward nicht König von Frankreich wurde, konnte er die Schulden nicht vollständig zurückzahlen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden die Schulden des Herrschers zu Staatsschulden: das milliardenschwere, multinationale und auf mehrere Währungen verteilte Netz von Schuldverpflichtungen, das wir heute kennen.

Edward der III. schuldete dem Unternehmen Bardi 900.000 Golflorin (Quelle). Der Florentiner Goldgulden war eine Goldmünze. Sie hatte einen Gehalt von 3,54 g Feingold. Auf der Vorderseite war das Wappenzeichen der Stadt, eine Lilie, abgebildet. Produziert wurden der Florentiner von der Stadt Florenz. Aus Sicht von Edward III. handelte es sich dabei um eine Fremdwährung, die im Ausland produziert wurde. Um Schulden in dieser Währung zahlen zu können, musste er sie erst einnehmen. Entweder konnte er sich Florentiner über Kredite beschaffen, Steuern in dieser Währung erheben (sofern seine Bürger diese überhaupt zahlen konnten) oder Waren, Länder oder Söldner gegen Florentiner verkaufen.

Was hat nun diese historische Episode mit heutiger „Staatsverschuldung” zu tun?

Meiner Meinung nach kann man diese Episode nicht mit der heutigen Zeit vergleichen. Heute bezahlen Regierungen ihre Ausgaben über die Geldschöpfung ihrer Zentralbank in eigener nationaler oder supra-nationaler Währung. Diese sind nicht mehr an Gold gekoppelt, und nur sehr wenige Länder nutzen Fremdwährungen (z.B. Bosnien-Herzegovina). Anders als Edward III. nehmen nationale Regierungen in der Eurozone keine Kredite auf – gar keine, weder im Aus- noch im Inland, weder in inländischer noch in ausländischer Währung.

Die weiteren Ausführungen des Artikels, der beim IWF veröffentlicht wurde, sind damit so irrelevant wie sachlich falsch:

Warum nehmen Staaten Kredite auf?

Regierungen nehmen Kredite auf, um mehr auszugeben, als sie durch allgemeine Steuern einnehmen können oder wollen. Hierfür gibt es mehrere wirtschaftliche Gründe. Wenn die Steuereinnahmen sinken, wie z. B. während einer Rezession, nehmen die Regierungen Kredite auf, um bestehende Ausgabenverpflichtungen zu erfüllen.

Heutzutage nehmen wie gesagt Regierungen keine Kredite aus, sie zahlen über die Zentralbank. Dabei gibt es kein Limit, wie wir in der Pandemie gesehen haben. Die Staatsausgaben stiegen in allen Ländern der Eurozone, auch in Griechenland, wo die „Staatsverschuldung“ im Jahr 2010 über 210 Prozent/BIP erreichte. Weder wurden Steuern erhöht noch die Reichen angebettelt, doch griechische Staatsanleihen zu kaufen. Stattdessen hat die griechische Regierung einfach mehr Geld ausgeben und so die Konten der Banken bei der Zentralbank gefüllt. Die Banken haben dann mit diesem neu geschaffenen Geld Staatsanleihen in gleicher Höhe gekauft.

Haushalte dürfen übrigens, anders als im Artikel beschrieben, in der Eurozone keine Staatsanleihen direkt von der Regierung kaufen. Diese verkaufen nur an bestimmte Banken am sogenannten Primärmarkt, alles andere ist Sekundärhandel und die jeweilige Regierung sieht nicht einen müden Euro. Das wurde bei uns sehr schön sichtbar bei den Sondervermögen von Bundeswehr und Gaspreisdeckel. Weder wurden die Steuern erhöht noch die Staatsanleihenverkäufe, wie es nach dem Artikel beim IWF hätte passieren müssen.

Es ist bedauerlich, dass im Jahr 2024 vom IWF statt Aufklärung nur alte Kamellen serviert werden. Der IWF hat in den 2010er Jahren die Eurozone in der Austeritätspolitik „beraten” und anscheinend wurde nichts dazugelernt. Es ist zu hoffen, dass Europa dem IWF zukünftig keine weiteren hoheitlichen Aufgaben überträgt. Wer meint, dass die geschuldeten Goldmünzen eines englischen Königs von anno dazumal die Funktionsweise eines modernen digitalen Währungssystems abbilden, der wird im 21. Jahrhundert mit seinen Ratschlägen an der Realität scheitern und wohl mehr Unheil anrichten, als er beabsichtigt hat. Gerade die Zeit der Pandemie hat gezeigt, dass höhere staatliche Ausgaben nötig und sein können und problemlos möglich sind, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Der Artikel des IWF mutet an wie ein Versuch, dass Rad der Zeit zurückzudrehen.