Ist Wirtschaften ein darwinistischer Prozess?

22.11.2022

Die Wirtschaft, so ist es von allen Seiten zu hören, sei einer Evolution unterworfen, quasi beherrscht von einem darwinistischem Prozess. Dabei siegt allerdings nicht der Stärkere, sondern der, der sich am besten anpasst an eine sich wandelnde Umgebung. Dabei spielt auch Glück eine Rolle.

Die Idee, die Wirtschaft quasi als evolutionären (oder dynamischen) Prozess zu begreifen, ist begrüßenswert. Anders als in der grauen Theorie gibt es kein statisches Gleichgewicht, in welchem die Unternehmen verharren. Die an den Universitäten gelehrte neoklassische Theorie besagt, dass die Kosten eines Unternehmens mit der Ausbringungsmenge steigen. Dies hätte den netten Nebeneffekt, dass größere Unternehmen teurer werden und damit durch kleinere Unternehmen erfolgreich am Markt unter Druck gesetzt werden können, da diese günstigere Preise hätten. Dies ist allerdings höchst unrealistisch. Die meisten Unternehmen mit einer hohen Ausbringungsmenge haben relativ geringe Kosten. Also scheint sich Größe durchzusetzen. Dies zeigt sich beispielsweise im Automobilsektor, wo einige sehr große Firmen dominieren. Größe hat allerdings den Dinosauriern auch nicht geholfen. Was also bestimmt das Überleben der Unternehmen am Markt?

Der oft genannte "survival of the fittest" geht nicht auf Darwin, sondern den Sozialdarwinisten Herbert Spencer zurück. Bei Darwin - wie auch in der Wirtschaft - geht es um "Anpassung", nicht um "Stärke". Das Anpassen an KundInnen und Regulierung sowie die Unsicherheit in ihren vielen Dimensionen entscheidet über den Erfolg von Unternehmen. Es ist weniger ein Kampf als eine Auswahl, die stattfindet. Die Unternehmen sollten sowohl intern wie extern besser kooperieren, um in diesem Wettbewerb bestehen zu können. Dazu spielt natürlich auch die Größe eine Rolle, denn diese ist in vielen Sektoren wesentlich für die Kosten und damit die Preise. "Survival of the biggest" plus Anpassung an sich verändernden Marktumwelt scheint also ein stimmiges Rezept zu sein, um das Überleben von Unternehmen erklären zu können.

Wer ganz genau hinschaut, sieht dann die "financial survival constraints". Unternehmen müssen solvent sein, müssen liquide sein, müssen Verschuldung bedienen können. Also spielt auch die Finanzierungsseite eine Rolle in dem Prozess, wobei natürlich Größe und Anpassung sich direkt auf Kosten, Preise und Umsatz und damit auf genau die Variablen auswirken, die hier betrachtet werden. Unternehmen, die wachsen, sind auf Kooperation angewiesen: Arbeitskräfte, Zulieferer, Infrastruktur, Normen, Handelsregeln - all das will beachtet und gestaltet werden. Kooperation und Wettbewerb gehen also Hand in Hand. Allerdings ist anders als bei der Evolution in der Welt der Lebewesen nicht nur die Anpassung an die Natur das Ergebnis, sondern auch die Anpassung an politische Vorgaben: Gebote, Verbote, staatliche Nachfrage, Subventionen, etc. Wir haben als Menschen also einen großen Einfluss darauf, welche Unternehmen überleben und welche nicht, da wir die gesellschaftlichen Regeln bestimmen und damit die Selektion. So richtig gut passt der Vergleich der Wirtschaft mit dem Darwinismus also nicht.