Geld ist immer unschuldig
Der US-Ökonom Randall Wray stellt bei einem Workshop am Bard College in New York fest: „Money is always innocent”. Inflation ist kein monetäres Phänomen. Inflation muss auf der Ebene der Unternehmen und des Staates erklärt werden, welche die Preise in unserer Wirtschaft festlegen.
Es ist in der Ökonomik üblich, Milton Friedman zu zitieren mit der Aussage, dass Inflation immer ein monetäres Phänomen sei. Ein Blick auf die Realität zeigt allerdings, dass dies nicht der Fall ist. Ähnlich wie beim Wasser, dessen Eigenschaft der „Nässe” nicht durch H20-Moleküle erklärt werden kann, hat Geld keine Eigenschaft der Inflation. Wir befinden uns quasi auf der falschen Ebene. H20-Moleküle sind nicht nass, aber Wasser ist naß. Die Eigenschaft der Nässe entsteht erst in der Aggregation der vielen einzelnen Teile. So ist es auch bei der Inflation, die sich aus der Veränderung der Preise in der Wirtschaft ergibt. Daher macht es wenig Sinn, auf die „Geldmenge” zu schauen, wenn es um Inflation geht.
Wenn bspw. Unternehmen Preise setzen, informieren sie sich nicht vorher über die Entwicklung der Geldmenge und erhöhen dann die Preise je nach Veränderung der Geldmenge. Angenommen, die Geldmenge sinkt, dann müssten ja die Unternehmen die Preise senken. Das kann aber zu Problemen führen, wenn der Preis irgendwann unter den Kosten liegt. Das Unternehmen macht Verluste und muss irgendwann Bankrott anmelden oder den Preis wieder anheben. Natürlich wird es den Preis wieder anheben, gerade weil die Konkurrenz ja nicht billiger anbieten kann.
Sollte ein Unternehmen die Preise erhöhen als Reaktion auf eine steigende Geldmenge (wie auch immer diese genau gemessen werden soll), dann preist es sich aus dem Markt heraus. Die Konkurrenz zieht ja nicht mit und wird daher günstiger sein. Der Absatz beim Unternehmen, welches den Preis erhöht, wird einbrechen und auch der Gewinn. Über kurz oder lang ist das Unternehmen gezwungen, den Preis wieder zu reduzieren.
Die Unternehmen richten ihre Preise in der Realität nicht an der Geldmenge aus, sondern an den Kosten. Steigen die Kosten, erhöhen die Unternehmen die Preise. So schützen sie ihre Gewinnmarge, die Differenz zwischen Kosten und Preisen. Alternative können Unternehmen auch die Gewinnmarge erhöhen, indem sie die Preise erhöhen, ohne das vorher die Kosten gestiegen sind. Allerdings laufen sie dann in Gefahr, sich aus dem Markt zu preisen, wenn die Konkurrenz nicht mitzieht. Dies ist die Profitinflation, über die heute viel geschrieben wird.
Eine Lohninflation liegt hingegen vor, wenn die Löhne steigen und die Unternehmen daraufhin die Preise erhöhen. Sind die Arbeitnehmer stark genug, darauf mit weiteren Lohnerhöhungen zu reagieren, sind die Unternehmen gezwungen, wieder die Preise zu erhöhen. Die Kaufkraft der Arbeitnehmer ändert sich dadurch nicht. Letztendlich sitzen die Unternehmen am längeren Hebel. Sie können jederzeit ihre Preise erhöhen. Die Arbeitnehmer können aber nicht jederzeit ihre Löhne erhöhen. Tarifverträge gelten meist für zwei Jahre.
Wie wir sehen, ist bei der Inflation Geld immer unschuldig - Randall Wray hat Recht. Inflation ist ein Mikrophänomen, welches auf der Ebene der Unternehmen und der Regierung (die ebenfalls einige Preise setzt z.B. für Fahrkarten im ÖPNV) analysiert werden muss. Ein Blick auf die Geldmenge kann da nicht weiterhelfen, weil diese nichts mit den Kosten der Unternehmen zu tun hat, die aber wesentlich sind für die Preissetzung.