Führt steigende Nachfrage zu Inflation?

04.03.2024

Laut der schwedischen Zentralbank kommt es zu Inflation, wenn die Nachfrage im Wirtschaftsaufschwung stark ist. Was logisch klingt, ist in der Realität allerdings nicht zu sehen.

Es ist ein Klassiker unter den Inflationserklärungen der Makroökonomik, ähnlich bekannt im Volk wie die Idee, dass eine Erhöhung der Geldmenge zu Inflation führt: Ein Anstieg der Nachfrage führt zu höherer Inflation. Dieser Quantensprung von der Geldtheorie (Monetarismus) zur Makroökonomik (Keynesianismus) ist sicherlich ein Fortschritt, allerdings sind wir noch lange nicht am Ziel. Nicht alles, was theoretisch denkbar ist, ist praktisch problematisch. So würde fast jede Wirtschaft implodieren, wenn alle Bürger gleichzeitig ihr gesamtes Geldvermögen für Konsumgüter verausgaben wollen würden. Richtig, aber: das kommt eigentlich so gut wie nie vor und wenn, dann ist es ein Symptom für andere Probleme in der Gesellschaft (z.B. während einer Hyperinflation).

Nichtsdestotrotz ist die mechanische Interpretation der keynesianische Theorie heute sehr beliebt, gerade auch bei den Zentralbanken, die fast ausschließlich der neukeynesianischen Theorie anhängen. Nach dieser gibt es tatsächliche eine Beziehungen zwischen der Nachfrage und dem Preisniveau. Die schwedische Riksbank schreibt (Übersetzung mit DeepL):

„Zu einer Inflation kann es kommen, wenn die Nachfrage in der Wirtschaft stark ist, z. B. bei einem Wirtschaftsaufschwung. Die Haushalte fragen dann viele Waren und Dienstleistungen nach, und für die Unternehmen ist es leichter, die Preise zu erhöhen. Der Preis des vom schwedischen Statistikamt gemessenen Warenkorbs wird dann steigen.“

Das ist mal eine klare Aussage und hat genauso klar mit der jüngsten „Inflation“ nichts zu tun. (Der folgende Absatz auf der Webseite stellt klar, dass Energiepreise als Kostenfaktor die Inflation auch anheizen können.) Allerdings stellt sich die Frage, ob eine „nachfrageinduzierte“ Inflation überhaupt ein Problem sein kann. Um das zu klären, schauen wir in die Empirie. Daten für Inflation und Konsumausgaben des privaten Sektors sind einfach zu finden, sie werden z.B. von FRED grafisch gut aufbereitet.

Die Abbildung oben zeigt deutlich, dass es keinerlei belastbare Korrelation zwischen privaten Konsumausgaben und der Inflationsrate gibt. In den 1970er Jahren war die Inflation hoch, aber die Konsumausgaben vielleicht ein bisschen volatiler, nicht aber im Niveau höher. Das war nur in den 1960er Jahren der Fall, hier lagen die Schwankungen deutlich höher und auch der Durchschnitt – nur eine höhere Inflation wollte sich nicht einstellen. Seit den letzten 25 Jahren ist dann alles „ruhig“, die Inflation niedrig und stabil (bis 2022 zumindest) und auch die Konsumausgaben.

Jetzt kann man natürlich ex-post alles mögliche um die Daten herum erklären, warum die Inflation doch durch höhere Konsumausgaben begründet werden kann, weil z.B. in den 1970er Jahren sehr viele Blockhütten gekauft wurden, die nicht in den Konsumentenpreisindex eingingen, aber ja eigentlich schon Konsum wären, nur halt langfristiger, etc. pp. (das Beispiel ist erfunden). Eine Theorie ist aber nur dann gut, wenn ich sie anwenden kann und es halbwegs passt. Man muss nicht jede Inflation erklären können mit einer Theorie der nachfrageinduzierten Inflation, aber wenn man in den letzten 50 Jahren nicht ein einziges klares Beispiel findet, dann sollte man irgendwann auch mal sagen: Vielleicht stimmt die Theorie nicht!

Der Fehler der heutigen Zentralbanker ist der, dass sie quasi nur auf einen einzigen Faktor schauen: Löhne. Ad hoc haben sie jetzt auch Gewinne und Energiepreise mit dazu genommen, aber auch andere Kostenfaktoren wie Miete und Pacht (Land, Immobilien) oder Rohstoffpreise (Erz, Leder, Sand, Alu, etc.) gehören dazu. Der Wandel fällt den Zentralbanken so schwer, weil fast alle Zentralbanken mit neukeynesianischen Modellen gearbeitet haben. In diese lassen sich aber derartige Überlegungen nicht wirklich integrieren, aber dann müssten die in jahrzehntelanger Arbeit entwickelten Modelle aufgegeben bzw. in die zweite Reihe versetzt werden. Was in der empirischen Wissenschaft logisch und klar erscheint, wird in der sozialen Realität der Zentralbanken zu einem echten Problem.