Fiskalpolitik in den Medien

24.10.2022

In einem Artikel von 2018 untersuchen Lucy Barnes und Timothy Hicks die Medien und die Einstellung der Öffentlichkeit zu Fiskalpolitik. Sie zeigen im Zeitraum 2010-2015 für das Vereinigte Königreich, dass (1) Einstellungen mit dem Medienkonsum korreliert sind, (2) Zeitungsinhalte systematisch in Bezug auf die Berichterstattung über öffentliche Anleihen variieren, und zwar in einer Weise, die intuitiv mit den Einstellungen ihrer Leserschaft übereinstimmt, und (3) die Defizitrahmen, die den Befragten präsentiert werden (basierend auf der bestehenden Zeitungsberichterstattung), eine kausale Wirkung auf die Einstellungen haben.

Das Papier Making Austerity Popular The Media and Mass Attitudes toward Fiscal Policy von 2018 beschäftigt sich mit der Frage, wie Austeritätspolitik von den Medien verkauft wurde (Quelle 1, Quelle 2). Hier ist der auf Deutsch übersetzte Abstract:

Wie lässt sich die unterschiedliche Einstellung der Bürger zu staatlichen Defiziten erklären? Obwohl der makroökonomische Kurs für die heutigen Regierungen von größter Bedeutung ist, ist unser Verständnis der Politik der Bevölkerung begrenzt. Wir argumentieren, dass die Einstellung der Bevölkerung zu Sparmaßnahmen von den Medien (und einer breiteren Elite) beeinflusst wird. Die Informationen, die für die Bildung von Präferenzen in Bezug auf das Defizit notwendig sind, werden nicht auf neutrale Weise vermittelt, sondern prägen das Verständnis der Wähler für ihre Interessen. Eine breite Palette von Daten aus Großbritannien aus den Jahren 2010 bis 2015 stützt diese Behauptung. In der britischen Wahlstudie variiert die Einstellung zum Defizit systematisch mit der Quelle des Nachrichtenkonsums, selbst bei Kontrolle der Parteiidentifikation. Ein strukturelles Themenmodell der Berichterstattung zweier großer Zeitungen zeigt, dass der Inhalt systematisch in Bezug auf die Berichterstattung über die öffentliche Kreditaufnahme variiert - in einer Weise, die intuitiv mit den Einstellungen ihrer Leserschaft übereinstimmt. Schließlich legt ein Umfrageexperiment den Schluss nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen Medien und Einstellungen gibt: Defizitpräferenzen ändern sich in Abhängigkeit von der Präsentation von Defizitinformationen.

Die beiden Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Öffentlichkeit dachte, dass Austeritätspolitik notwendig gewesen wäre, auch wenn sie diese nicht mochten. Dies ist, wie wir heute wissen, eine Fehleinschätzung gewesen. Die Bank of England ist Monopolisten des britischen Pfunds, ihr kann das Geld nicht ausgehen. Sie hätte also auch Weiterhin die Zahlungen der Regierung tätigen können. Wie wir 2020 gesehen haben, hätte die Regierung dabei noch nicht mal Staatsanleihen emittieren müssen. Das ist meines Erachtens nach ein unnötiger Schritt, zeigt aber sie sehr schon, dass die Regierung erst Geld ausgibt, welches danach als Steuerzahlungen zum Staat zurückkehrt.

Für den Rest der Jahrzehnts lässt sich hoffe, dass die Medien nicht nochmals derart einseitig über Fiskalpolitik berichten. Die Austeritätspolitik hat in der EU wie auch in Großbritannien großen Schaden angerichtet. Wir brauchen in unseren Gesellschaften mehr öffentliche Investitionen und mehr Staatsausgaben, um die sozial-ökologische Transformation bewältigen zu können. Weniger Staatsausgaben, wie in der Phase der Austeritätspolitik, haben nur zusätzliche Arbeitslosigkeit erzeugt und hatten keinerlei Effekt auf die "Staatsverschuldung". Der Staat "schuldet" kein Geld, er hat nur mehr ausgegeben als er eingenommen hat. Wenn wir mehr Steuern zahlen, sinkt die Staatsverschuldung. Nur die BürgerInnen können also den Staat "entschulden". Es gibt aber keinen Grund, die Staatsverschuldung auf null zurückzuführen. Stattdessen sollte der Staat mit seinen Ausgaben innerhalb der verfügbaren Ressourcen etwas für das Gemeinwohl tun. Ziele wie Vollbeschäftigung und Preisstabilität bieten sich ebenfalls an. Eine Ausrichtung an fiskalischen Kennzahlen wie dem Defizit hingegen sind theoretisch nicht fundiert und willkürlich gewählt (z.B. die 3 Prozent im Stabilitäts- und Wachstumspakt).