Finanzieren ausländische Investoren die Bundesregierung?

15.08.2024

Oftmals ist zu hören, dass nationale Regierungen von den internationalen Kapitalmärkten abhängig seien, weil sie von dort Geld leihen würden. Diese Sicht der Dinge hält einer sachlichen Prüfung jedoch nicht stand. 

In einem Beitrag bei Spiegel Online aus dem letzten Jahr wurde Finanzminister Christian Lindner wie folgt wiedergegeben:

„Waren im Jahr 2021 noch gut vier Milliarden Euro an Steuermitteln nötig, um die Zinslast für alte Schulden zu stemmen, müssen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in diesem Jahr nach Plan fast 40 Milliarden Euro an die internationalen Kapitalmärkte überweisen. Geld, das für andere Aufgaben fehlt.“

Was hier so klingt, als würde die Bundesregierung „Steuermittel“ von den Steuerzahlern empfangen und „an die internationalen Kapitalmärkte überweisen“, stellt sich in der Realität ganz anders da. Alle Ausgaben der Bundesregierung werden durch die Bundesbank getätigt, die im Auftrag des BMF Kontostände der Banken erhöht, die wiederum die Kontostände der Zahlungsempfänger erhöhen. „Steuermittel“ gibt es dabei nicht und können nicht zum Einsatz kommen, da es sich dabei um Geld handelt, was zum Staat zurückfließt. (Das ist analog zur Rückzahlung eines Kredites, das Guthaben der Nicht-Bank wird einfach gestrichen, wird aber nicht der Bank gutgeschrieben.)

Es wird also bei Staatsausgaben erst Geld geschöpft, danach fließt dieses Geld in Staatsanleihenkäufe und Steuerzahlungen. Zum Zeitpunkt der Staatsausgaben kann die Bundesregierung unmöglich wissen, ob am Ende des Tages die Steuereinnahmen die Staatsausgaben übersteigen oder andersherum. Es gibt als weder eine Steuer- noch eine Schuldenfinanzierung.

Staatsanleihen verkauft die Bundesregierung über die Bundesfinanzagentur, um ihr Konto bei der Bundesbank im positiven Bereich zu halten. Nur dann darf die Bundesbank für das BMF Zahlungen tätigen – eine direkte Staatsfinanzierung ist in der Eurozone verboten. Die Bundesbank darf also netto kein Geld schöpfen für das BMF, eine Differenz zwischen Staatsausgaben und Steuerzahlungen muss durch die Erlöse aus Staatsanleihenverkäufen ausgeglichen werden. Dabei geht es nicht um „FInanzierung“, denn die Staatsausgaben haben ja zu dem Zeitpunkt (Ende des Geschäftstages) schon stattgefunden.

Die Bundesfinanzagentur verkauft Staatsanleihen des Bundes nur an eine Gruppe von Banken, die in der Eurozone beheimatet ist. Diese Banken bezahlen mit Zentralbankgeld, welches der Staat vorher in Umlauf gebracht hat. Entweder hat die Regierung direkt durch Staatsausgaben Reserven erzeugt, oder die Zentralbank hat über Kredite oder QE für neue Reserven gesorgt. Wichtig ist die Einsicht, dass erst der Staat Geld schöpfen muss, bevor dieses Geld über Steuern und Staatsanleihenverkäufe zum Staat zurückfließt.

Entgegen den Aussagen des Bundesfinanzministers fließen die Zinszahlungen nicht „an die internationalen Kapitalmärkte“, sondern an die Besitzer der Staatsanleihen. Diese können Akteure der internationalen Kapitalmärkte sein, müssen es aber nicht. Die Finanzagentur hat dazu Zahlen (s.u.). Nach aktuellsten Daten halten Zentralbanken und sonstige Investoren in Drittländern lediglich 26 Prozent der Bundeswertpapiere. Zur „Finanzierung“ der Bundesregierung tragen sie nicht bei, denn sie kaufen ihre Wertpapiere auf dem Sekundärmarkt (also nicht direkt von der Finanzagentur).

Die Anmerkungen von Christian Lindner gehen in die gleiche Richtung wie auch das Lehrvideo des DIW zu Staatsanleihen, welches ich diese Woche kommentiert habe. Hier wird behauptet, dass die Bundesregierung wie eine schwäbische Hausfrau Geld leiht und somit u.a. von den Geldgebern und deren Wohlwollen (z.B. Ratings) abhängig ist. Tatsächlich ist das aber nicht der Fall, der deutschen Bundesregierung kann das Geld nicht ausgehen, weil die EZB mit dem Eurosystem dafür sorgt, dass immer eine Nachfrage nach deutschen Staaatsanleihen da ist.

Was die Ausgaben tatsächlich begrenzt sind die eigenen Regeln, die die Politik sich national und europäisch auferlegt hat, nämlich die Schuldenbremse und die Defizitgrenzen. Beide Regelwerk lassen sich innerhalb des Regelwerks selbst aussetzen, wie auch während der Pandemie – völlig unabhängig von den internationalen Kapitalmärkten.