Eurowatch: Schweden und Tschechien
Aktuell wird in Schweden und Tschechien ein möglicher Beitritt zur Eurozone diskutiert. Die Voraussetzungen der beiden Ländern sind sehr unterschiedlich. Entscheidend wird sein, wie die neuen Schuldenregeln in der Eurozone praktisch angewendet werden und ob die aktuelle Kürzungspolitik beibehalten wird.
Die schwedische Wirtschaft war in den letzten Jahren mit deutlichen Problemen konfrontiert. Wie die Augsburger Allgemeine berichtete, wuchs die Zahl der Insolvenzen in den ersten 9 Monaten des Jahres 2023 um mehr als ein Drittel. Dazu sorgten steigende Preise für Frust und dazu ein sinkender Wechselkurs der schwedischen Krone (siehe Abbildung unten). 2013 lag der Wechselkurs zum Euro noch bei 8,5 schwedischen Kronen pro Euro, 2018 lag er schon bei 10:1 und heute bei 11,21:1. Der Urlaub in der Eurozone wird also für die Schweden immer teurer, und auch Importe werden im Preis wohl über die Zeit ansteigen.
Schweden befindet sich, ähnlich wie Deutschland und die Eurozone, in einer Rezession. Grund dafür sind die leicht fallenden Staatsausgaben und die steigenden Zinsen, die eine Immobilienkrise ausgelöst haben. Die schwedische Regierung schreibt auf ihren Seiten zum Haushalt 2023 (übersetzt mit DeepL.com, kostenlose Version):
Indem die Regierung ihre Finanzpolitik auf das Überschussziel ausrichtet und einen etwas strafferen Haushalt vorschlägt, setzt sie die Geldpolitik ein, um zu verhindern, dass sich eine hohe Inflation verfestigt. Das Überschussziel ist ein Ziel für den gesamtstaatlichen Finanzierungssaldo. Demnach soll der Finanzierungssaldo über einen Konjunkturzyklus hinweg durchschnittlich ein Drittel des BIP betragen.
Es ist wichtig, eine verantwortungsvolle Fiskalpolitik zu betreiben, die nicht im Widerspruch zur Geldpolitik steht, damit die Inflation mit möglichst wenig negativen wirtschaftlichen Auswirkungen reduziert werden kann. Da die Inflation und die Inflationserwartungen klebrig sind, besteht die Gefahr, dass sie sich auf einem hohen Niveau verfestigen, was sowohl für die Wirtschaft als auch für den Einzelnen erhebliche negative Auswirkungen haben könnte. Dies würde wahrscheinlich für einige Zeit eine straffe Geldpolitik erfordern, die zu einem schwächeren Beschäftigungswachstum führen würde. Die Regierung hat sich daher für eine neutrale Finanzpolitik entschieden, einschließlich eines leicht gestrafften Haushalts für 2023 und einer Regelung zum Schutz von Haushalten und Unternehmen vor hohen Kosten, die von den hohen Strompreisen betroffen sind.
Dabei macht die schwedische Regierung den gleichen Fehler wie die deutsche Regierung, wenn sie annimmt, dass höhere Staatsausgaben zu mehr Inflation führen und deswegen zur Bekämpfung der Inflation die Staatsausgaben sinken sollten. Die Inflation ist eine Folge der steigenden Energiepreise gewesen und nicht eine Folge zu hoher Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Eine Kürzung der Staatsausgaben führt zu mehr Arbeitslosigkeit und weniger Produktion, nicht jedoch zu einer Reduktion der Inflationsrate. Ebenfalls mangelhaft war die Geldpolitik der Zentralbank, die unnötigerweise den Zins erhöhte in der Hoffnung, dass so die Inflation bekämpft werden könne. 2022 habe ich mit Kollegen aus Schweden einen Artikel zu den dortigen Zinserhöhungen bei Makroskop verfasst. Hier ist ein Ausschnitt:
Zinserhöhungen sind daher sowohl ein stumpfes als auch schädliches Instrument. Es gleicht einer Bombe, die im Garten gezündet wird, um Unkraut zu vernichten. Das Ziel, die vermeintliche Überhitzung der Wirtschaft abzuschwächen, wird zwar erreicht – aber zu einem sehr hohen Preis. Zusätzlich zu den wirtschaftlichen und sozialen Schäden, die jenen zugefügt werden, die ihren Arbeitsplatz verlieren, spaltet Arbeitslosigkeit auch die Gesellschaft.
Das zweite Problem einer Zinserhöhung ist, dass die Inflation höchstwahrscheinlich überhaupt nicht gesenkt wird. Energiepreise sind heute größtenteils importiert und haben daher nichts mit der Höhe der Löhne zu tun. Mit anderen Worten: Selbst wenn wir den Garten verwüsten, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Unkraut weiter sprießt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass höhere Zinssätze die Kosten für Unternehmen steigen lassen werden. Viele Unternehmen sind heute hoch verschuldet. Steigen die Zinsen, besteht die Gefahr, dass die Unternehmen die gestiegenen Kosten an die Preise weitergeben, um die Gewinne zu stabilisieren, die sie zur Tilgung ihrer Schulden benötigen, und somit die Inflation weiter anfachen.
In Tschechien ist die Lage etwas anders. Euractiv schrieb dazu:
Während sich STAN, TOP 09, KDU-ČSL und die Piraten offen für die Einführung des Euro aussprechen, bleibt die konservative ODS die einzige Partei, die dagegen ist.
Auch die Unternehmen drängen auf die Einführung der EU-Währung, da die tschechische Wirtschaft auf den Export in andere EU-Länder ausgerichtet ist und die Wechselkurse für die Unternehmen ungünstig sind.
Dieses Argument ist etwas seltsam, weil der Wechselkurs der tschechischen Krone in den letzten zehn Jahren sehr stabil war. Er lag um 25 Kronen / Euro. Die tschechische Zentralbank griff auch mal in den Kurs ein, wenn eine Aufwertung der Krone die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bedrohte. Insofern bietet eine eigene Währung mehr Flexibilität als ein Beitritt zum Euro. Nur wenn die Unternehmen Angst haben, dass die Zentralbank eine dauerhafte Aufwertung der Krone anvisiert, macht das Argument pro-Euro Sinn.
Tschechien ist zudem ein Land mit den relativ höchsten Immobilienpreisen. Radio Prague International berichtet:
Neue Zahlen zeigen, dass die Tschechische Republik einen der teuersten Immobilienmärkte Europas beherbergt - man bräuchte 13 Bruttojahresgehälter, um in dem Land eine Immobilie zu erwerben. In diesem Jahr fällt Tschechien hinter das Nachbarland Slowakei zurück, das den ersten Platz belegt.
Auch in Tschechien werden 2024 die Staatsausgaben reduziert, wie die Europäische Kommission berichtet. Europa, sowohl Eurozone also auch Länder außerhalb, ist 2024 auf dem Weg in die wirtschaftspolitische Sackgasse. Die steigenden Zinsen haben keinen Einfluss auf die Inflation, haben aber tendenziell einen negativen Effekt auf Immobilienpreise (Deutschland, Schweden). Die Erhöhung der Zinszahlungen an die Halter der Staatsanleihen wirkt expansiv, aber in Ländern wie Tschechien mit einer niedrigen Staatsverschuldung ist der Effekt nicht sehr groß. Die Diskussionen um die wirtschaftlichen Probleme in Tschechien und Schweden werden sicherlich auch 2024 nicht abreißen. Schuld an der Misere ist jedoch eine verfehlte Wirtschaftspolitik, die auch in der Eurozone nicht anders läuft. Ob die Politik aus ihren Fehlern die richtige Lektion lernt, ist jedoch völlig offen. Fakt ist, dass die Erhöhung der Staatsausgaben und der fiskalischen Defizite in der Folge der Pandemie goldrichtig war. Es ist die Rückkehr zur Austerität, welche die Wirtschaften Europas jetzt in die Rezession stürzt.