Die Last der Verschuldung
Vor mehr als einem halben Jahrhundert gab es eine Debatte, ob die realen Kosten - gemessen in Ressourcen - eines Projektes durch interne Verschuldung an zukünftige Generationen weitergegeben werden kann. Abba Lerner überzeugt mit seinen Argumenten, dass dies nicht der Fall sein könne.
In seinem Papier „The Burden of Debt” von 1961 geht es um die Frage, ob der Staat durch Verschuldung die Kosten für seine Investitionen in die Zukunft verschieben könne, so wie es einige Ökonomen damals behaupteten. Lerner schreibt über den Disput, an dem auch der damalige US-Präsident Eisenhower beteiligt war (S. 140):
„Das eigentliche Thema, und es ist ein wichtiges Thema, zwischen den Ökonomen und Herrn Eisenhower ist nicht, ob es möglich ist, eine Last (entweder in der Gegenwart oder in der Zukunft) von einigen Menschen auf andere Menschen zu verlagern, sondern ob es möglich ist, durch interne Kreditaufnahme eine reale Last von der gegenwärtigen Generation, im Sinne der gegenwärtigen Wirtschaft als Ganzes, auf eine zukünftige Generation, im Sinne der zukünftigen Wirtschaft als Ganzes, zu verlagern.”
Lerner argumentiert im Folgenden, dass weder Ressourcen noch Schulden von einer Generation auf eine andere übertragen werden können. Wenn die Regierung meint, so wolle heute Ressourcen nutzen, um damit sinnvolle öffentliche Güter und Dienstleistungen herzustellen, dann kann sie diese Ressourcen - gemeint sind Arbeitsleistungen, Energie, Rohstoffe sowie Vorprodukte, etc. - nur zu dem damaligen Zeitpunkt beschaffen. Sie kann nicht Ressourcen aus der Zukunft verwenden, da es (noch?) keine Zeitmaschinen gibt. Die Regierung kann auch kein Geld aus der Zukunft verwenden - aus dem gleichen Grund. Lerner stellt klar (S. 140):
„Damit soll nicht gesagt werden, dass es überhaupt keine Möglichkeit gibt, wie die heutige Generation eine Last auf künftige Generationen abwälzen kann. Wir schlagen nur vor, dass dies nicht durch interne Verschuldung geschieht. Wir können die Zukunft verarmen lassen, indem wir unsere Investitionen in Kapitalrückflüsse kürzen (oder indem wir natürliche Ressourcen verbrauchen oder zerstören), die es künftigen Generationen ermöglicht hätten, einen höheren Lebensstandard zu produzieren und zu genießen.”
Diese Ausführungen sind vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Zerstörung der Umwelt direkt relevant. Es ist unsinnig, die Staatsverschuldung reduzieren zu wollen mit dem Hinweis, zukünftige Steuerzahler wären dann besser gestellt. Das sind sie nicht, denn die Ressourcen vermehren sich ja nicht dadurch, dass der Staat weniger Geld ausgibt. Ganz im Gegenteil: Weniger öffentliche Investitionen in Bildung und Infrastruktur würden “die Zukunft verarmen lassen”, um es mit Lerners Worten zu sagen. Er fürchtete, dass die “free nations” nicht die notwendigen Schritte unternehmen würden, sich vor totalitären Systemen zu schützen – und stattdessen die Staatsverschuldung reduzieren würden.
Diskussionen wir diese waren noch vor einigen Jahrzehnten Teil von Studiengängen der Volkswirtschaftslehre. Leider sind Wirtschaftsgeschichte und Ideengeschichte in den meisten Universitäten gestrichen worden. Dies entpuppt sich mehr und mehr als Fehler. Der Mangel an „pluraler Ökonomik” ist vor allem auf diese Entwicklung zurückzuführen.