Die Erfindung von variablen Kreditzinsen
Die steigenden Zinsen der Zentralbanken schlagen sehr unterschiedlich auf die KreditnehmerInnen durch. Während einige fixe Zinsen mit ihrer Bank vereinbart haben, sehen sich andere mit variablen Zinsen konfrontiert, deren jüngster Anstieg die Kreditkosten deutlich in die Höhe treibt. Woher kommt der variable Zinssatz bei Krediten?
Wie so viele Innovationen im Bereich des Bankwesens liegt auch der Ursprung der variablen Zinsen in den USA. Leon Levy beschrieb in seinem Buch „The Mind of Wall Street” die Entstehung auf der Seite 96:
The problem was the classic bind of borrowing short and lending long. If short-term rates rose rapidly, a bank would find itself hemorrhaging money, because its cost to borrow money would rise while its income from long-term loans and mortgages remained fixed. Gene had a solution to that, and it was brilliant. Its one flaw derived directly from Gene's achilles heel - overreaching.
The idea was the variable-rate mortgage (now universally known as the adjustable-rate mortgage). A mortgage that allowed the lender to adjust rates on mortgages as short-term interest rates fluctuated would protect the S&L [savings&loan] from being caught in an interest rate squeeze. It was a brilliant idea that Gene got half right: In Gene's innovation, the variable rate of the mortgage would only go up.
Steigende Zinsen sind also für Banken ein Problem, weil sie sich dann zu höheren Zinsen Geld leihen müssen - sofern sie das überhaupt tun. Wenn Banken also Geldschulden haben gegenüber der Zentralbank oder anderen Geschäftsbanken, die ab und an übergewälzt werden, dann bedeuten steigende Zinsen höhere Kosten für die Bank. Dabei geht es nicht um die „Finanzierung” der Kredite – die Guthaben dafür werden immer technisch gesehen aus dem Nichts geschöpft. Es geht um die Zahlungsflüsse und damit um die Frage, ob die Bank liquide ist. Insofern ist eine Bank darauf angewiesen, immer liquide zu sein. Bei steigenden Zinsen droht allerdings irgendwann die Insolvenz, da auf der Aktivaseite die Zinsen nicht mitsteigen. Wenn eine Bank einen Kredit vergibt, dann normalerweise zu fixen Zinsen.
„Gene” erkannte, dass es aus Sicht der Bank sinnvoll ist, variable Zinsen im Kreditvertrag zu vereinbaren. Der Vorteil für die Bank ist dann, dass die Zinserträge steigen, wenn die Zinsen steigen. So hat die Bank in Zeiten steigender Zinsen kein Problem. Allerdings muss das, was für eine Bank gilt, nicht auch für alle Banken gelten. Sollten alle Banken variable Zinsen vereinbaren mit den KreditnehmerInnen, dann werden steigende Zinsen dazu führen, dass massiv Einkommen von Nicht-Banken zu Banken umverteilt werden. Auch wenn Banken ihre Gewinne über Dividenden wieder ausschütten und die EmpfängerInnen wiederum dann mehr Geld ausgeben, so ist doch zu erwarten, dass die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen einbricht, weil bei gegebenen Haushaltseinkommen die Mehrausgaben bei den Zinsen zu Minderausgaben bei allen anderen Gütern und Dienstleistungen führen.
Die makroökonomische Dynamik ist also bei variablen Zinsen eine andere als bei fixen Zinsen. Bei letzteren werden die Kreditverträge nur alle zehn Jahre (oder in ähnlichen Zeiträumen) neu zu jeweils aktuellen Zinsen verhandelt, während variable Zinsen kurzfristig durchschlagen. In der Eurozone sind in einigen Ländern variable, in andere fixe Zinsen Standard. Die folgende Abbildung zeigt dies an (Quelle: EZB).
In Frankreich und Deutschland sind die Kredite meist festverzinst, in Portugal und Slowenien hingegen variabel verzinst. Zinserhöhungen der EZB haben also höchst unterschiedliche Auswirkungen auf die Mitgliedsländer, und das muss nicht unbedingt erwünscht sein. Vielleicht würde es an dieser Stelle Sinn machen, eine europäische Regelung zu finden, um die Wirkung der Geldpolitik einheitlicher zu gestalten.