Der "Nobelpreis" für Wirtschaft und die Rolle der Banken

12.10.2022

Während die Nobelpreise für Medizin, Frieden und andere Kategorien „echte“ Nobelpreise sind, die von Alfred Nobel, dem Erfinder des Dynamits (!), gestiftet wurden, ist dies in der Kategorie Wirtschaft nicht der Fall. Die Preise waren immer kontrovers und in einem Buch wird behauptet, dass es schon immer darum ging, eine Alternative zu schwedischen Sozialdemokratie salonfähig zu machen. Dieses Jahr allerdings wird eine Theorie geehrt, die selbst von der Deutschen Bundesbank abgelehnt wird.

Der diesjährige Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, so der etwas sperrige Titel, wurde an Ben Bernanke und seine Kollegen Douglas Diamond und Philip Dybvig vergeben. Natürlich gibt es wie jedes Jahr wieder zahlreiche Kommentare zum wissenschaftlichen Wert der Arbeiten der Preisträger. Dieses Jahr ist es allerdings besonders kontrovers, denn die von den Autoren vertretenen Theorie der Kreditvergabe des Banken ist wohl schlichtweg falsch - ein handfester Skandal!

Hier ein Auszug aus dem "Hintergrund" zum Preis für Bernanke und Kollegen (meine Übersetzung):

Warum sind Banken notwendig?

Um zu verstehen, warum eine Bankenkrise so enorme Folgen für die Gesellschaft haben kann, müssen wir wissen, was Banken eigentlich tun: Sie nehmen Geld von Einlegern entgegen und leiten es an Kreditnehmer weiter. Diese Finanzintermediation ist alles andere als ein einfacher mechanischer Transfer, denn es gibt grundlegende Konflikte zwischen den Bedürfnissen von Sparern und Investoren. Jemand, der einen Kredit aufnimmt, um ein Haus oder eine langfristige Investition zu finanzieren, muss sich darauf verlassen können, dass der Kreditgeber nicht plötzlich sein Geld zurückverlangt. Auf der anderen Seite möchte ein Sparer zumindest einen Teil seiner Ersparnisse sofort für unerwartete Ausgaben zur Verfügung haben.

Diese Ausführungen sind meiner Meinung nach eindeutig und unwiderruflich widerlegt. In meinem Buch "Geld und Kredit: Eine €-päische Perspektive" steht auf S. 53 (4. Auflage, 2020):

Die Kreditvergabe einer Bank ist die Folge eines Kreditvertrags. Dabei kauft die Bank quasi dem Kunden oder der Kundin das Zahlungsversprechen ab, die Summe des Kredits plus den Zins zu einem Zeitpunkt in der Zukunft zurückzuzahlen. Zu keinem Zeitpunkt werden dabei Ersparnisse von Haushalte oder Unternehmen oder sonst irgendeiner Quelle benötigt. Die Bank erhöht den Kontostand des Kreditnehmers, das ist alles. Nirgendwo wird Guthaben reduziert.

Auch die Bundesbank hatte in ihrem Text "Die Rolle von Nichtbanken, Banken, und Zentralbank im Geldschöpfungsprozess" im Monatsbericht April 2017 auf folgendes hingewiesen: "Dabei hängt die Fähigkeit der Banken, Kredite zu vergeben und Geld zu schaffen, nicht davon ab, ob sie bereits über freie Zentralbankguthaben oder Einlagen verfügen." Mit Einlagen sind Ersparnisse gemeint. Die Banken sind also nicht Intermediäre, so wie es in der Abbildung oben von der Webseite über Bernanke und Kollegen dargestellt ist. Sie können keine Ersparnisse weiterverleihen, denn dazu müssten sie Bargeldkredite vergeben, was aber nicht der Fall ist.

Auch die Bundesbank zeigt die Bilanzen der beiden beteiligten Parteien so, wie es in meinem Buch beschrieben ist:

Von Ersparnis ist weit und breit nichts zu sehen. Erst wenn der Kunde X das Geld ausgibt, z.B. für eine Maschine, kann ein Unternehmen ein Einkommen erzielen und damit eine Ersparnis. Diese ist definiert als nicht-verausgabtes Einkommen. Die Maschine wird als Investition verbucht. Hier wird deutlich, dass Investitionen kreditfinanziert sein können und die Ausgabe kausal ist für die Erhöhung von Investition und Ersparnis. Dabei ist die Ersparnis der bilanzielle Schatten der Investition, denn der Ausgabenüberschüss des Kapitalgutkäufers führt direkt zu einem gleichzeitigen Einnahmenüberschuss beim Kapitalgutverkäufer.

Auch die EZB hat übrigens eine Meinung zur Kreditgeldschöpfung der Banken:

"Auch Geschäftsbanken schaffen Geld. Das tun sie nämlich, wenn sie Ihnen einen neuen Kredit gewähren und das Geld auf Ihrem Bankkonto erscheint."

Es ist erstaunlich, dass hier ein Preis an Autoren vergeben worden ist, welche die Kreditgeldschöpfung der Banken nicht verstanden haben. Dies stützt die Aussagen von Offer und Söderberg, die sich in ihrem Buch "The Nobel Factor" mit der Herkunft des Preises auseinandersetzen (eigene Übersetzung):

Der Nobel-Faktor erzählt, wie der von der schwedischen Zentralbank ins Leben gerufene Preis aus einem Konflikt zwischen der Orthodoxie der Zentralbank und der Sozialdemokratie entstanden ist. Ziel war es, den Heiligenschein des Nobelpreises zu nutzen, um die Autorität der Zentralbank und das Ansehen der marktfreundlichen Wirtschaft zu stärken und so die Zukunft Schwedens und der übrigen entwickelten Welt zu beeinflussen. Und diese Strategie ist aufgegangen, mit manchmal katastrophalen Folgen für Gesellschaften, die sich bemühen, mit den Anforderungen der Wirtschaftstheorie und deregulierter Märkte zurechtzukommen.

Der Nobel-Faktor stützt sich auf bisher unerschlossene Archive der schwedischen Nationalbank und liefert eine einzigartige Analyse des Einflusses der Preisträger. Er bietet eine noch nie dagewesene Darstellung der realen Folgen der Wirtschaft - und ihres größten Preises.

Der Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften (und nicht: Wirtschaftsnobelpreis, wie es bei der Tagesschau heißt) ist nicht mehr zeitgemäß und bedarf dringend einer Reform, so wie es scheint. Ansonsten droht er eine ganze Disziplin in Verruf zu bringen.