Der Defizit-Mythos

04.04.2024

Das Buch „The Deficit Myth: How to Build a Better Economy“ von Stephanie Kelton ist ein Klassiker der MMT-Literatur. Auch 4 Jahre nach Erscheinen lohnt sich die Lektüre. Auch wenn sich das Buch um die USA dreht, so gelten die Schlussfolgerungen auch für Deutschland und die Eurozone.

Die wirtschaftspolitische Debatte in Deutschland ist wie wohl in keinem anderen Land geprägt von Ideen, welche mit der Realität über Kreuz liegen. Die Idee, dass staatliche Defizite inflationär werden, ist beispielsweise immer noch fest verankert, obwohl die Energiepreisinflation der letzten Jahre sehr deutlich gezeigt hat, dass fiskalische Defizite kein Treiber der Inflation sind. Wenn der Staat mehr Geld ausgibt als er einnimmt, dann gibt es keine Mechanik in der Wirtschaft, die sofort zu einem „Überlaufen“ der Kaufkraft führt. Leider sind die Debatten geprägt von Metaphern, die zwar gut klingen, aber in der Realität nichts erklären können. Unten sehen wir die Zahlen zum fiskalischen Defizit in Deutschland (blau) und zur Inflationsrate (rot). Die Zeiten der höchsten Defizite (2009 und 2020) korrelieren mit den niedrigsten Inflationsraten und nicht mit den höchsten.

Die Wirtschaft ist also nicht so einfach über wirtschaftliche Gesetze zu verstehen, sondern es geht um die Frage, ob und wie wir das Potential der Wirtschaft (bzw. Gesellschaft) ausschöpfen. Die Geldschöpfung des Staates ist dabei kein Problem, wie auch der Rezensent anmerkt (Stichwort: Sondervermögen.) Die Wirtschaft ist durch Ressourcen begrenzt und nicht durch Geld. Es geht also um Arbeitskräfte, Rohstoffe, Energie und Produktion. Dabei sind Institutionen wichtig, ebenso Politik und Infrastruktur (z.B. Energie).

Der Defizit-Mythos verhindert eine Auseinandersetzung mit der Realität. Statt Fragen zur Kapazität der Wirtschaft und ihrer Entwicklung zu stellen, wird alles auf das staatliche Defizit verkürzt. Die Ausgaben der Bundesregierung sollten gesellschaftliche Defizit anvisieren und nicht das fiskalische Defizit, um Schuldenbremse oder europäische Fiskalregeln einzuhalten. Diese Nachricht ist gerade in Europa sehr relevant, während es in den USA weder eine Schuldenbremse noch Fiskalregeln gibt. (Die Schuldenobergrenze ist eher ein politisches Spektakel als eine bindende Begrenzung.)

Das Buch von Stephanie Kelton, Professorin an der Stony Brook University in New York, gibt es übrigens gerade im Angebot bei Amazon. Dort kostet die Kindle-Version diesen Monat (April 2024) nur 0,99 €! (Ich bekomme beim Klick auf den Link übrigens keine Provision.)